BGB § 253; SGB X § 116 Abs. 1
Leitsatz
1. Der in § 116 Abs. 1 SGB X normierte Anspruchsübergang findet in aller Regel bereits im Zeitpunkt des schadensstiftenden Ereignisses statt, da aufgrund des zwischen dem Geschädigten und dem Sozialversicherungsträger bestehenden Sozialversicherungsverhältnisses von vorneherein eine Leistungspflicht in Betracht kommt. Es handelt sich danach um einen Anspruchsübergang dem Grunde nach, der den Sozialversicherungsträger vor Verfügung des Geschädigten schützen soll. Ein Anspruchsübergang auf den Sozialversicherungsträger erfolgt allerdings dann nicht im Zeitpunkt des Schadenseintritts, wenn die Erstehung einer Leistungspflicht völlig unwahrscheinlich, also geradezu ausgeschlossen ist. Eine solche Situation liegt vor, wenn davon auszugehen ist, dass die gesetzliche Krankenkasse sich nicht an den Kosten der Schadensbehebung beteiligen wird.
(Leitsatz des Einsenders)
2. Die Haftpflicht des Schädigers kann die Übernahme der Kosten privatärztlicher Behandlung umfassen, wenn nach den Umstanden des Einzelfalls feststeht, dass das Leistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung nur unzureichende Möglichkeiten zur Schadensbeseitigung bietet oder die Inanspruchnahme der vertragsärztlichen Leistung aufgrund besonderer Umstände dem Geschädigten nicht zumutbar ist.
3. Schmerzensgeldanspruch eines 74 Jahre alten Geschädigten für Rotatorenmanschettenteilruptur i.H.v. 2.500 EUR bei Mitverschulden von 40 %.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Koblenz, Urt. v. 5.11.2013 – 3 U 421/13
Sachverhalt
Dem Kl. steht gegen den Bekl. ein Anspruch auf Schmerzensgeld und Arzt- und Behandlungskosten bei einem zugrunde zu legenden Mitverschulden des Kl. aus Tierhalterhaftung zu. Der gesetzlich krankenversicherte 72 Jahre alte Kl. erlitt bei dem Unfall eine Rotatorenmanschettenteilruptur. Er begab sich in die auf Schulterchirurgie spezialisierte Privatklinik A, in der die Operation unter Mitbehandlung eines älteren Abrisses der langen Bizepssehne durchgeführt wurde. Sowohl vor der Behandlung als auch nach der Operation hatte der Kl. bei seiner gesetzlichen Krankenversicherung nachgefragt, ob diese die in der Privatklinik entstandenen Kosten tragen werde, was die Krankenkasse jeweils verneinte. Der Kl. hat den Ersatz der Arzt- und Behandlungskosten, Schmerzensgeld und die Feststellung zur Schadensersatz- und Schmerzensgeldverpflichtung für Zukunftsschäden geltend gemacht.
LG und OLG haben die Haftung des Bekl. unter Ansetzung eines Mitverschuldens des Kl. von 40 % dem Grunde nach bejaht. In der Berufungsinstanz haben die Parteien darüber gestritten, ob der Kl. bezüglich der von ihm geltend gemachten Arzt- und Behandlungskosten aktiv legitimiert ist oder ob etwaige Schadenersatzansprüche des Kl. auf seine Krankenversicherung übergegangen sind, ob der Kl. gehalten war, seine Verletzung in einer Vertragsklinik seiner gesetzlichen Krankenkasse mit einem geringeren Kostenaufwand als in der von ihm aufgesuchten Privatklinik behandeln zu lassen und hinsichtlich der Bemessung des Schmerzensgeldes auseinander gesetzt.
Die Berufung des Bekl. gegen die Annahme des LG zur bestehenden Aktivlegitimation des Kl. wie zur anzunehmenden Tierhalterhaftung des Bekl. hatte keinen Erfolg. Die Berufung des Kl. zum Ansatz der Arzt- und Behandlungskosten hatte Erfolg, der Angriff gegen das von dem LG abgenommene Mitverschulden blieb ohne Erfolg.
2 Aus den Gründen:
" … Das LG nimmt entgegen der Auffassung der Berufung des Bekl. zu Recht an, dass der Kl. aktivlegitimiert ist. Dem steht § 116 Abs. 1 SGB X und die von der Berufung des Bekl. zitierte Entscheidung des BGH v. 24.4.2012 – VI ZR 329/10 – VersR 2012, 924 nicht entgegen. Danach findet der in § 116 Abs. 1 SGB X normierte Anspruchsübergang in aller Regel bereits im Zeitpunkt des schadensstiftenden Ereignisses statt, da aufgrund des zwischen dem Geschädigten und dem Sozialversicherungsträger bestehenden Sozialversicherungsverhältnisses von vornherein eine Leistungspflicht in Betracht komme. Es handelt sich danach um einen Anspruchsübergang dem Grunde nach, der den Sozialversicherungsträger vor Verfügung des Geschädigten schützen soll (BGH, a.a.O., Rn 9; Urt. v. 30.11.1955 – VI ZR 211/54, BGHZ 19, 177, 178 = VersR 1956, 97; Urt. v. 8.7.2003 – VI ZR 274/02, BGHZ 155, 342, 346 = VersR 2003, 1174 f.; Urt. v. 17.6.2008 – VI ZR 197/07, VersR 2008, 1350 f. und v. 12.4.2011 – VI ZR 158/10, BGHZ 189, 158 = VersR 2011, 775; Urt. v. 10.7.1967 – III ZR 78/66, BGHZ 48, 181, 184 ff. = VersR 1967, 974 ff.). Allerdings erfolgt ein Anspruchsübergang auf den Sozialversicherungsträger dann nicht im Zeitpunkt des Schadenseintritts, wenn die Entstehung einer Leistungspflicht völlig unwahrscheinlich, also geradezu ausgeschlossen ist (BGH v. 24.4.2012 – VI ZR 329/10, VersR 2012, 924, juris Rn 12). Eine solche Situation liegt vor, wenn davon auszugehen ist, dass die gesetzliche Krankenkasse sich nicht an den Kosten der Schadensbehebung beteiligen werde (BGH, Urt. v. 6.7.2004 – VI ZR 266/03, zfs 2005, 15 f. = NJW 2004, 3324). Wie das LG zutreffend...