VwGO § 100 Abs. 2 S. 2 § 162 Abs. 2 S. 1; VV RVG Nrn. 7001 f.; GKG KV Nr. 9003
Leitsatz
Nimmt ein Rechtsanwalt Einsicht in Akten, die ihm auf seinen Antrag in seine Kanzlei übersandt wurden (vgl. § 100 Abs. 2 S. 2 VwGO), können die Kosten für die Rücksendung der Akten an das Gericht (hier: 145 Ordner Verwaltungsvorgänge zu einem Planfeststellungsverfahren) – vorbehaltlich der sich aus dem Prozessrechtsverhältnis ergebenden Pflicht zur Kostenminimierung – als Auslagen eines Rechtsanwaltes nach § 162 Abs. 2 S. 1 VwGO erstattungsfähig sein.
BVerwG, Beschl. v. 30.9.2014 – 9 KSt 6/14
Sachverhalt
Die in Hamburg kanzleiansässigen Rechtsanwälte hatten die beiden Kl. in deren seinerseits noch nicht verbundenen Planfeststellungsverfahren betreffend den Bau eines Teilstücks der Autobahn A 20 als Prozessbevollmächtigte vertreten. Sie beantragten, ihnen die Akten einschließlich der 145 Ordner umfassenden Verwaltungsvorgänge zu dem Planfeststellungsverfahren in ihre Kanzlei zu übersenden. Diesem Antrag hat der Vorsitzende des zuständigen 9. Senats des BVerwG stattgegeben. Die Anwälte haben nach Vornahme der Akteneinsicht die Gerichtsakten dann nebst den 145 Aktenordnern Verwaltungsvorgänge per Express-Kurier an das BVerwG zurücksenden lassen. Nachdem das BVerwG die die beiden Kl. betreffenden Verfahren verbunden hat, hat es der Klage nach mündlicher Verhandlung stattgegeben und die Kosten der beiden Kl. der Bekl. auferlegt. Für die Rücksendung der umfangreichen und rund 273 kg schweren Akten haben die Kl. Kurierkosten i.H.v. netto 418,03 EUR neben der für die zunächst getrennten Verfahren angefallenen zwei Postentgeltpauschalen nach Nr. 7002 VV RVG geltend gemacht. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) des BVerwG hat die Kurierkosten in voller Höhe unberücksichtigt gelassen. Die hiergegen eingelegte Erinnerung der Kl. hatte zum Teil Erfolg.
2 Aus den Gründen:
[2] "… Die Erinnerung der Kl. ist gem. §§ 151, 165 VwGO zulässig, jedoch nur teilweise begründet."
[3] Gem. § 162 Abs. 1 VwGO erfassen die erstattungsfähigen Kosten die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Die Notwendigkeit einer Aufwendung muss aus der Sicht einer verständigen Partei beurteilt werden. Dabei ist jeder Beteiligte aus dem prozessrechtlichen Verhältnis heraus verpflichtet, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten (BVerwG, Beschl. v. 3.7.2000, NJW 2000, 2832 und v. 6.10.2009 – BVerwG 4 KSt 1009.07 – Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 47 Rn 34). Ausgehend davon hätte die UdG die Erstattungsfähigkeit der beantragten Kurierkosten von 418,03 EUR, die im Zusammenhang mit der Übermittlung der Planfeststellungsakten von der Anwaltskanzlei der Prozessbevollmächtigten der Kl. an das Bundesverwaltungsgericht entstanden sind, i.H.v. 210 EUR anerkennen müssen; im Übrigen hat sie die Erstattungsfähigkeit zu Recht abgelehnt.
[4] Erstattungsfähig gem. § 162 Abs. 1 VwGO sind u.a. die Auslagen eines Rechtsanwalts (§ 162 Abs. 2 S. 1 VwGO), soweit sie für die Bearbeitung eines konkreten Mandats anfallen und daher nicht als allgemeine Geschäftskosten mit den Gebühren abgegolten sind (§ 1 Abs. 1 S. 1, § 2 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. Vorbem. 7 Abs. 1 VV RVG; vgl. Hartmann, KostG, 44. Aufl. 2014, VV Vorbem 7 Rn 4; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl. 2013, VV Vorb. 7 Rn 9). Zu den Auslagen, die in dem vorgenannten Sinne bei Ausführung des einzelnen Auftrages entstehen, zählen nach § 1 Abs. 1 S. 1, § 2 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. Nr. 7001 f. VV RVG Entgelte für Postdienstleistungen. Darunter fallen die allgemeinen Portokosten einschließlich derjenigen für Pakete (allgemeine Meinung: vgl. Hartmann a.a.O., VV 7000–7002 Rn 1; Müller-Rabe a.a.O., VV 7001, 7002 Rn 9; N. Schneider, in: Gebauer/Schneider, AnwKomm-RVG, 7. Aufl. 2014, VV 7001–7002 Rn 6). Das gilt auch dann, wenn die Kosten für einen Paketversand anlässlich der Rücksendung von Akten entstehen, in die der Anwalt in seiner Kanzlei Einsicht genommen hat (OLG Hamm NJW 2006, 1076, 1077 f.; AG Leipzig, Beschl. v. 18.5.2005 – 200 Gs Js 172/05, juris Rn 5; Hartmann a.a.O.).
[5] Dagegen lässt sich nicht einwenden, dass der Rechtsanwalt, dem die Gerichtsakten auf seinen Antrag in seine Kanzlei zur Einsicht übersandt werden, für die Kosten und Auslagen der Rücksendung selbst aufzukommen hat (so OLG Naumburg AGS 2008, 468 = NJW-RR 2008, 1666; vgl. auch OLG Hamm, a.a.O.). Diese Rspr. bezieht sich auf § 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 9003 des KV, wonach für die antragsgemäße Versendung (Hin- und Rücksendung) von Akten durch Gerichte pauschal (nur) 12 EUR je Sendung erhoben werden. Diese Aktenversendungspauschale lässt die zusätzlichen Versandkosten, die einem Prozessbeteiligten bzw. seinem Rechtsanwalt für die Rücksendung der Akten entstehen, unberührt, beinhaltet also keinen Anspruch auf unfreie Rücksendung der Akten. Denn sie deckt nur die Aufwendungen der Justiz für eine besondere Dienstleistung zugunsten dessen ab, der Akteneinsicht außerhalb des Gerichts begehrt (vgl. auch BVerfG NJW 1996, 2222 = AnwBl. 1996, 29...