I. Grundsatz
Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen werden zum einen in § 17 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 OWiG als möglicher (nicht zwingender!) Bemessungsfaktor ausdrücklich genannt. Zum anderen ist – ungeschrieben – davon auszugehen, dass der für die meisten Verkehrsordnungswidrigkeiten maßgebende Bußgeldkatalog nach der BKatV von durchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen ausgeht, an welchen die aufgestellten Regelsätze gemessen werden. Eine Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse ist deshalb in der Regel nicht angezeigt, zumal schon § 17 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 OWiG für eine häufige Fallgestaltung – die geringfügige Ordnungswidrigkeit – von diesem Aspekt ausgeht.
Die wirtschaftlichen Verhältnisse werden dabei nicht nur von den durch Zahlen und Urkunden belegbaren Fakten wie etwa Einkommen, Gehalt, Schulden oder Unterhaltsverpflichtungen bestimmt, sondern das Gericht kann auch – bei entsprechender Informationslage – berücksichtigen, wenn eine Erwerbsmöglichkeit vorläge, der Betroffene sie aber nicht nutzt.
II. "Geringfügige Ordnungswidrigkeit"
Die Leistungsfähigkeit des Betroffenen muss vor allem dann durch das Gericht festgestellt werden, wenn es sich um eine relativ hohe Geldbuße handelt, da gegen den Betroffenen keine unverhältnismäßige Geldbuße als Sanktion festgesetzt werden darf. Handelt es sich aber um die schon erwähnte geringfügige Ordnungswidrigkeit, sind Feststellungen nicht erforderlich: Das Gericht darf zum einen von der Leistungsfähigkeit des Betroffenen ausgehen. Darüber hinaus ist es sogar untersagt die (besonders guten) wirtschaftlichen Verhältnisse zum Nachteil des Betroffenen zu berücksichtigen, während besonders schlechte wirtschaftliche Verhältnisse auch noch im Falle des § 17 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 OWiG zugunsten des Betroffenen Beachtung finden dürfen. Beispiele hierfür wären ein Ausbildungsverhältnis, der Bezug von BAFöG im Studium oder Arbeitslosigkeit bzw. der Bezug von Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII.
Die Höhe der Geldbuße, nach welcher die Grenze zwischen geringfügig und nicht mehr geringfügig gezogen wird, dürfte sich – in Verkehrsordnungswidrigkeiten – inzwischen bei 250 EUR eingependelt haben, auch weil der Schwellenwert des § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG diese Höhe hat. Zwar gibt es noch einzelne kritische Stimmen, diese Ansichten sind aber mit guten Gründen zu vernachlässigen.
III. Regelbußgeld
Das Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht weist aber mit dem Bußgeldkatalog nach der BKatV eine zusätzliche Besonderheit und korrelierend dazu eine bisher nicht einheitlich entschiedene Rechtsfrage für Geldbußen von mehr als 250 EUR auf. Denn es sind zwar ab dieser Größenordnung in der Regel Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen erforderlich. Jedoch befürworten etliche Gerichte eine Einschränkung dieses Grundsatzes, wenn das ausgeurteilte Bußgeld dem Regelsatz des BKat entspricht. Diese Diskussion soll im Folgenden kurz erläutert werden:
Einige Oberlandesgerichte vertreten nach wie vor den festen Grundsatz der 250-EUR-Grenze wie oben beschrieben, wenngleich sich schon Modifikationen ergeben haben. Teilweise wird von diesen Gerichten dabei die gegenteilige Ansicht u.a. des OLG Hamm nicht einmal erwähnt, sogar trotz vorhandener divergierender Ansichten nicht einmal eine Vorlage an den BGH erwogen.
Die gegenteilige Ansicht, maßgeblich formuliert durch das OLG Hamm, beinhaltet die Überlegung, dass bei Verhängung der Regelgeldbußen nach der BKatV – unabhängig von der Bußgeldhöhe im Einzelfall – grundsätzlich keine näheren Ausführungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen in den Urteilsgründen erforderlich sind, außer es lägen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse außergewöhnlich gut oder schlecht seien. Dies ist zwar bisher nicht eindeutig von anderen Oberlandesgerichten bestätigt worden, allerdings hat das OLG Jena diese Überlegung bereits 2004 postuliert, 2011 bestätigt und das OLG Dresden hat in einer aktuellen Entscheidung in eine gleiche Richtung argumen...