VVG § 14
Leitsatz
Antwortet ein von seiner Schweigepflicht entbundener Arzt auf Auskunftsersuchen des VR nach vorvertraglichen gesundheitlichen Leiden des VN nicht, sind Ansprüche auf Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung noch nicht fällig.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Köln, Beschl. v. 13.1.2014 – 20 W 91/13
1 Aus den Gründen:
" … Indessen fehlt dem Klagebegehren nach wie vor die hinreichende Erfolgsaussicht, weil etwaige Ansprüche auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung derzeit nicht fällig sind."
Nach § 14 Abs. 1 VVG sind Geldleistungen des VR fällig mit der Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfangs der Leistung notwendigen Erhebungen. Dem entsprechend sieht § 9 Abs. 1 der Versicherungsbedingungen die Befugnis der AG vor, zur Klärung ihrer Leistungspflicht notwendige weitere Nachweise zu verlangen und erforderliche Erhebungen selbst anzustellen. Wie im angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt ist, gehört zur Klärung der Eintrittspflicht des VR auch die Prüfung, ob Gründe für einen Rücktritt oder eine Anfechtung wegen Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten vorliegen (OLG Hamburg VersR 2010, 729; Schlegelmilch, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, 2. Aufl., § 21 Rn 17; Rixecker, in: Römer/Langheid, VVG, 4. Aufl., § 14 Rn 6; Fausten, in: MüKo zum VVG, § 14 Rn 22; Muschner, in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 2. Aufl., § 14 Rn 16). Das gilt jedenfalls dann, wenn Anlass zu der Annahme besteht, dass Leistungsfreiheit des VR eintreten könnte (Schlegelmilch a.a.O.). Solche Umstände liegen hier vor:
Die in dem am 20.2.2005 ausgefüllten Antragsformular gestellten Gesundheitsfragen nach Krankheiten, Störungen oder Beschwerden etwa der Atmungs- oder Verdauungsorgane und des Gehirns innerhalb der letzten 10 Jahre sowie nach ärztlichen Untersuchungen, Beratungen und Behandlungen im zurückliegenden 5-Jahres-Zeitraum hat die ASt. dahin beantwortet, dass es “durch einen Magen- und Darminfekt … temporär im Jahre 2002 zu einem leicht erhöhten Blutdruck gekommen‘ sei und es “ansonsten … immer nur grippale Infekte‘ gegeben habe, wobei ihr “einmal im Jahre 2003 ein Antibiotikum sowie ein Dosieraerosol … verschrieben‘ worden sei. Laut Auskunft des behandelnden Arztes O vom 6.1.2013 war die Kl. von diesem am 31.8. und 18.12.2000 wegen Kopfschmerzen, am 10.1., 22.1. und 28.1. 2002, am 19.5.2003 und am 18.3.2004 wegen spastischer Bronchitis sowie am 4.11. 2002, 16.6.2003 und 27.7.2004 wegen Gastritis behandelt worden; des Weiteren ist als Erkrankung eine “chron. Bronchitis‘ vermerkt. Diese Mitteilung gibt der AG bei objektiver Betrachtung hinlänglichen Anlass, zur Prüfung einer möglichen vorvertraglichen Obliegenheitsverletzung durch die ASt. weitere Erkundigungen einzuziehen. Unter diesen Umständen zählt hierzu auch die Einsichtnahme in die Krankenunterlagen (vgl. OLG München VersR 2013, 169; Fausten a.a.O. § 14 Rn 52; Muschner a.a.O. § 14 Rn 15).
Die ASt. ist allerdings ihrer Obliegenheit, Ärzte, bei denen sie in Behandlung war, zur Auskunftserteilung an die AG auf deren Verlangen zu ermächtigen (§ 5 Abs. 4 der Tarifbedingungen), durch die Entbindung des behandelnden Arztes O von seiner Schweigepflicht nachgekommen. Gleichwohl sind mögliche Leistungsansprüche derzeit nicht fällig. Die AG hat den Arzt O wiederholt vergeblich ersucht, ihr “alle vorliegenden Befundberichte und die vollständige Karteikarte in Kopie bzw. einen Computerausdruck‘ zu übersenden; Herr O hat weder auf ihr Schreiben vom 22.1.2013 noch auf die schriftlichen Erinnerungen vom 6. und 19.3. sowie vom 5.6.2013 reagiert. Deshalb darf die AG davon ausgehen, dass auch weitere Aufforderungsschreiben erfolglos bleiben werden, zumal Herr O ihr gegenüber zur Auskunftserteilung rechtlich nicht verpflichtet ist. Dem gegenüber ist es der ASt. zuzumuten, sich eine Kopie des Patientenblattes zu beschaffen, die sie im Rahmen ihres Rechts auf Einsichtnahme von ihrem behandelnden Arzt grds. beanspruchen kann, und diese der AG zu übermitteln (vgl. OLG München a.a.O.); bis dahin tritt Fälligkeit nicht ein.“
zfs 2/2015, S. 104 - 105