BGB § 249 Abs. 1, Abs. 2 S. 1; ZPO § 287
Leitsatz
1. Die Kosten für die Begutachtung des bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeugs gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gem. § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist.
2. Der Schätzung der Höhe der erforderlichen Sachverständigenkosten nach § 287 Abs. 1 ZPO müssen tragfähige Anknüpfungspunkte zugrunde liegen. Sie darf nicht völlig abstrakt erfolgen, sondern muss dem jeweiligen Einzelfall Rechnung tragen.
3. Die losgelöst von den Umständen des Einzelfalls erfolgte Beurteilung des Tatrichters, die von einem Sachverständigen zusätzlich zu einem Grundhonorar berechneten Nebenkosten seien in Routinefällen grds. i.H.v. 100 EUR erforderlich, während sie, soweit sie diesen Betrag überstiegen, erkennbar überhöht und deshalb nicht ersatzfähig seien, entbehrt einer hinreichend tragfähigen Grundlage.
BGH, Urt. v. 22.7.2014 – VI ZR 357/13
Sachverhalt
Der klagende Kfz-Sachverständige nimmt die beklagte Haftpflichtversicherung aus abgetretenem Recht der bei einem Verkehrsunfall geschädigten Eigentümerin des beschädigten Fahrzeugs in Anspruch. Der Pkw der Kl. wurde durch ein von der Bekl. geführtes Fahrzeug beschädigt. Die volle Einstandspflicht der Bekl. steht zwischen den Parteien außer Streit. Die Eigentümerin des beschädigten Fahrzeugs beauftragte den Kl. mit der Begutachtung ihres beschädigten Fahrzeugs. Für seine Tätigkeit stellte der Kl. seiner Auftraggeberin insgesamt 787,01 EUR einschließlich 19 % Mehrwertsteuer in Rechnung. Davon entfielen 434 EUR netto auf das Grundhonorar und insgesamt 227,35 EUR netto auf einzeln ausgewiesene Positionen wie die EDV-Anrufgebühr, Porto, Telefon, Fahrzeugbewertung, Fotos, Fahrtkosten, Schreibgebühren und Fotokopien. Der Haftpflichtversicherer der Bekl. zahlte hierauf vorprozessual 252,60 EUR.
Mit der Klage begehrt der Kl., soweit in der Revisionsinstanz noch weiter verfolgt, die Zahlung weiterer 534,51 EUR sowie die Feststellung der Verpflichtung der Bekl., auf die vom Kl. verauslagten Gerichtskosten Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz für die Zeit vom Eingang der eingezahlten Gerichtskosten bis zum Eingang des Kostenfestsetzungsantrags nach Maßgabe der abzuurteilenden Kostenquote zu bezahlen.
Das AG hat die Bekl. zur Zahlung eines Betrages von 502,77 EUR verurteilt, der Summe aus Grundhonorar und den einzelnen weiteren Positionen mit Ausnahme der Fahrtkosten. Dem Feststellungsantrag hat es entsprochen. Unter Abänderung der amtsgerichtlichen Entscheidung hat das LG die Bekl. zur Ausgleichung des Grundhonorars und der Nebenkosten i.H.v. 100 EUR zzgl. Mehrwertsteuer abzüglich zwischenzeitlich gezahlter 252,50 EUR verurteilt. Die weitergehende Berufung der Bekl. und die Berufung des Kl. hat es zurückgewiesen. Mit der vom LG zugelassenen Revision verfolgt der Kl. seinen Klageantrag weiter. Die Bekl. wendet sich mit der Anschlussrevision gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von Fahrtkosten und Kosten für Fotokopien sowie die Anfertigung von Lichtbildern i.H.v. insgesamt 58,31 EUR. Der BGH billigte die Abweisung des Feststellungsantrags durch das BG. Im Übrigen hob der BGH das Urteil auf die Berufungen der Parteien auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das BG zurück.
2 Aus dem Gründen:
[8] "… Die Beurteilung des Leistungsantrags durch das BG begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Dagegen hat das BG den Feststellungsantrag zu Recht abgewiesen."
I. Leistungsantrag:
[9] 1. Zutreffend und von Revision und Anschlussrevision nicht angegriffen hat das BG angenommen, dass Frau R dem Grunde nach ein Anspruch gegen die Bekl. auf Ersatz der Kosten des eingeholten Sachverständigengutachtens aus § 18 Abs. 1 S. 1 StVG zustand. Denn diese Kosten gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gem. § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung – wie im Streitfall – zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. Senatsurt. v. 11.2.2014 – VI ZR 225/13, VersR 2014, 474 Rn 7; v. 7.2.2012 – VI ZR 133/11, VersR 2012, 504 Rn 13, jeweils m.w.N.).
[10] 2. Die Revision und Anschlussrevision beanstanden auch die Annahme des BG nicht, dass der Frau R zustehende Ersatzanspruch durch Abtretung gem. § 398 BGB auf den Kl. übergegangen ist. Diese Annahme lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
[11] 3. Sowohl die Revision als auch die Anschlussrevision wenden sich aber mit Erfolg gegen die vom BG angenommene Höhe der für die Begutachtung des beschädigten Fahrzeugs erforderlichen Kosten.
[12] a) Allerdings ist die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktor...