BGB § 195 § 199 § 203 § 214; SGB X § 116 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
1. Bei einem Wechsel des Sozialversicherungsträgers (hier: der Krankenkasse) gehen die vom zuerst verpflichteten Sozialversicherungsträger gem. § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X erworbenen Ersatzansprüche des Geschädigten kraft Gesetzes auf den nun zuständigen Sozialversicherungsträger über, sofern die geschuldeten Versicherungsleistungen sachlich und zeitlich kongruent sind.
2. Der nachfolgende Sozialversicherungsträger erwirbt die Ersatzforderung – auch was einen beim zuerst verpflichteten Sozialversicherungsträger eingetretenen Verjährungsbeginn anbelangt – in dem Zustand, in dem sie sich bei dem Rechtsübergang befindet.
3. Zugunsten des Rechtsnachfolgers wirkt nur die bei seinem Rechtsvorgänger durch Verhandlungen gem. § 203 BGB bis zum Rechtsübergang bewirkte Verjährungshemmung; ob eine Hemmung der Verjährung beim Rechtsnachfolger eintritt, hängt hingegen davon ab, ob Hemmungsgründe in seiner Person vorlagen.
4. Verjährungsverzichtserklärungen, die der Schuldner nur im Verhältnis zum Rechtsvorgänger abgegeben hat, wirken grds. nicht zugunsten des Rechtsnachfolgers.
BGH, Urt. v. 1.7.2014 – VI ZR 391/13
Sachverhalt
Die klagende gesetzliche Krankenversicherung nimmt die Bekl. zu 1), die Trägerin einer Klinik und den Bekl. zu 2), einen dort tätigen Arzt, wegen einer Gesundheitsverletzung, die der Geschädigte bei seiner Geburt erlitten hat, aus übergegangenem Recht auf Schadensersatz in Anspruch. Die Bekl. erheben die Einrede der Verjährung. Der Geschädigte war nach seiner Geburt im Jahre 2000 zunächst bei der AOK B gesetzlich krankenversichert. Diese meldete in den Jahren 2001 und 2002 bei der Bekl. bzw. deren Haftpflichtversicherer Schadensersatzansprüche an. Der Haftpflichtversicherer verzichtete erstmals mit Schreiben v. 11.3.2003 – auch im Namen der versicherten Person – gegenüber der AOK B bis zum 31.12.2003 auf die Einrede der Verjährung, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass noch keine Verjährung eingetreten sei. Mit im Wesentlichen gleichlautenden Schreiben verlängerte er seinen Verzicht jeweils um ein weiteres Jahr, zuletzt bis zum 31.12.2010. Seit dem 17.6.2003 ist die Kl. gesetzlicher Krankenversicherer des Geschädigten. Ende September 2011 machte sie erstmals Ansprüche gegenüber dem Haftpflichtversicherer der Bekl. geltend. Diese verzichtete Ende des Jahres 2010 gegenüber der Haftpflichtversicherung auf die Einrede der Verjährung, allerdings nur soweit noch keine Verjährung eingetreten sei. Die Kl. hat mit ihrer Klage von der Bekl. den Ersatz der aufgewendeten Behandlungskosten, für die Leistungen der Pflegekasse sowie die Feststellung der weiteren Schadensersatzpflicht bezüglich übergegangener bzw. übergehender Ansprüche verfolgt. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hatte keinen Erfolg. Die Revision der Kl. wurde vom BGH zurückgewiesen.
2 Aus den Gründen:
[8] "… Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand."
[9] 1. Das BG hat mit Recht angenommen, dass die von der Kl. geltend gemachten Ansprüche aus übergegangenem Recht auf Ersatz von Behandlungskosten verjährt sind.
[10] a) Das BG hat seiner Beurteilung zutreffend zugrunde gelegt, dass die Schadensersatzansprüche, welche die Kl. geltend macht, mit der Geburt des Geschädigten am 17.6.2000 zunächst dem Grunde nach vom Geschädigten auf die AOK B übergegangen sind.
[11] Gem. § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X geht ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens auf den Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe über, soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen. Bei einem Sozialversicherungsträger wie der AOK B findet der Anspruchsübergang in aller Regel bereits im Zeitpunkt des schadenstiftenden Ereignisses statt, da aufgrund des zwischen dem Geschädigten und dem Sozialversicherungsträger bestehenden Sozialversicherungsverhältnisses von vornherein eine Leistungspflicht in Betracht kommt. Es handelt sich um einen Anspruchsübergang dem Grunde nach, der den Sozialversicherungsträger vor Verfügungen des Geschädigten schützt (vgl. Senatsurt. v. 30.11.1955 – VI ZR 211/54, BGHZ 19, 177, 178; v. 8.7.2003 – VI ZR 274/02, BGHZ 155, 342, 346; v. 17.6.2008 – VI ZR 197/07, VersR 2008, 1350 Rn 12; v. 12.4.2011 – VI ZR 158/10, BGHZ 189, 158 Rn 8, 23; v. 24.4.2012 – VI ZR 329/10, VersR 2012, 924 Rn 9; BGH, Urt. v. 10.7.1967 – III ZR 78/66, BGHZ 48, 181, 184 ff.).
[12] b) Die zunächst auf die AOK B übergegangenen Ersatzansprüche des Geschädigten unterliegen einer dreijährigen Verjährungsfrist, die auf der Grundlage der unbeanstandeten Feststellungen des BG spätestens am 1.1.2002 begonnen hat.
[13] aa) Die Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung unterliegen der dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB. Dies folgt aus Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB. Ist die Verjährungsfrist nach dem Bürgerlichen Gesetzbuc...