[9] "… I. Das BG hat die Arglistanfechtung für wirksam und die Bekl. deshalb nicht zur Beitragsfreistellung verpflichtet angesehen. Der Ehemann der Kl. habe aus Anlass der Risikoprüfung bei Übertragung des Lebensversicherungsvertrages und dessen Erweiterung um die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung seine Anzeigenobliegenheit aus § 16 Abs. 1 S. 1, 3 VVG a.F. arglistig verletzt, indem er die Parkinson-Erkrankung vorsätzlich verschwiegen habe. Ihm sei dabei bewusst gewesen, jedenfalls die Entschließung der Bekl. zur für ihn vorteilhaften Vertragsübernahme zu beeinflussen, weshalb es unerheblich sei, ob er was die Kl. bestreitet auch Kenntnis vom Abschluss der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung gehabt habe."
[10] Zwar sei die Zehnjahresfrist des § 124 Abs. 3 BGB nicht eingehalten, nachdem die angefochtene Vertragserklärung am 5.4.2002 abgegeben und die Arglistanfechtung erst am 18.7.2012 erklärt worden sei. Das hindere die Wirksamkeit der Anfechtungserklärung aber nicht, weil § 21 Abs. 3 VVG eine vom allgemeinen Recht abweichende, speziellere Regelung enthalte. Der Gesetzgeber habe sich dort nicht auf die in § 21 Abs. 3 S. 1 VVG geregelte Fünfjahresfrist beschränkt, wenn der Versicherungsfall bereits vor deren Ablauf eintrete. Abs. 3 S. 2 der Vorschrift erweitere die fünfjährige Frist auf zehn Jahre, wenn das Rücktritts- oder Kündigungsrecht des VR auf vorsätzlichem oder wie hier – arglistigem Verhalten des VN gründe. Dabei erfordere der Schutzzweck des § 21 Abs. 3 S. 1 VVG, dass auch die Zehnjahresfrist aus Satz 2 der Regelung nur dann Ausschlusswirkung entfalte, wenn nicht der Versicherungsfall vor Fristablauf eingetreten sei.
[11] Um Wertungswidersprüche zu vermeiden, müsse diese Einschränkung der zehnjährigen Ausschlussfrist des § 21 Abs. 3 S. 2 VVG erst recht für die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gelten. Ermögliche das Gesetz die Ausübung des Rücktrittsrechts nach mehr als zehn Jahren, so müsse dies auch für die auf Arglist gestützte Anfechtungserklärung gelten. Dieser Rechtsgedanke aus § 21 Abs. 3 VVG n.F. sei hier heranzuziehen, obwohl die Vertragsänderung aus dem Jahre 2002 noch nach altem Versicherungsvertragsgesetz zu beurteilen sei.
[12] II. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
[13] Die Kl. hat aus § 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 1 BGB einen Anspruch auf Rückerstattung der in den Monaten August 2008 bis August 2013 für den Hauptvertrag (Lebensversicherung) entrichteten Prämien. Deren Zahlung ist ohne Rechtsgrund erfolgt, weil die Bekl. infolge der Berufsunfähigkeit des Versicherten im genannten Zeitraum die Beitragsfreistellung des Hauptvertrages aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung schuldete. Dieser Zusatzvertrag ist anders als das BG meint nicht nichtig, weil die Anfechtungserklärung der Bekl. verspätet erfolgt und damit unwirksam ist.
[14] Das BG hat zutreffend dargelegt, dass die in § 124 Abs. 3 BGB geregelte zehnjährige Ausschlussfrist für die Erklärung der Arglistanfechtung hier abgelaufen war, weil die angefochtene Willenserklärung der Bekl. im April 2002 abgegeben und die Anfechtung erst am 18.7.2012 erklärt wurde. Anders als das BG meint, gibt es keine Gründe, die der Geltung der Frist und damit der Ausschlusswirkung des Fristversäumnisses entgegenstehen. Die in § 21 Abs. 3 VVG n.F. getroffene Fristenregelung für die Wahrnehmung der Rechte des VR aus § 19 Abs. 2 bis 4 VVG n.F. ist auf die Wirksamkeit der Zehnjahresfrist des § 124 Abs. 3 BGB und die Rechtsfolgen ihrer Versäumnis ohne Einfluss.
[15] 1. Das folgt schon aus dem Gesetzeswortlaut, denn zum einen stellt § 21 Abs. 3 S. 1 VVG einleitend klar, dass die nachfolgende Fristenregelung des § 21 Abs. 3 VVG nur die Rechte des VR nach § 19 Abs. 2 bis 4 VVG betrifft, zum anderen bestimmt § 22 VVG, dass das Recht des VR, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, “unberührt’ bleibt, so dass hier allein die Ausschlussfrist des § 124 Abs. 3 BGB gilt. Dabei belegen die systematische Stellung der Vorschrift und ihre Entstehungsgeschichte, wovon das in den §§ 123 f. BGB geregelte Anfechtungsrecht unberührt bleiben soll, nämlich von sämtlichen dem § 22 VVG n.F. vorangestellten Vorschriften der §§ 19 bis 21 VVG n.F. über die vorvertragliche Anzeigeobliegenheit des VN und die Rechtsfolgen ihrer Verletzung. Bereits das bis zum 1.1.2008 geltende alte Versicherungsvertragsgesetz (VVG a.F.) sah in § 22 VVG a.F. vor, dass das Recht zur Arglistanfechtung von den Vorschriften über die vorvertragliche Anzeigenobliegenheit des VN (§§ 16 bis 21 VVG a.F.) unberührt bleiben sollte. Seinerzeit bestand Einigkeit darüber, dass diese Vorschriften für die Arglistanfechtung durch den VR nicht galten (Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 22 Rn 1), sich das Anfechtungsrecht vielmehr allein nach den Vorschriften des BGB bestimmte. Mit der Einführung des § 22 VVG n.F. war abgesehen vom Wegfall der in § 22 VVG a.F. noch enthaltenen Beschränkung des Anfechtungsrechts auf Täuschungen über Gefahrumstände keine weitergehende sachliche Änderung ve...