Der Entscheidung ist zuzustimmen. Leider sehen viele Gerichte nicht, dass bei der Überprüfung der Billigkeit der geltend gemachten Rahmengebühren sämtliche Umstände zu berücksichtigen sind, wobei § 14 Abs. 1 S. 1 RVG in nicht abschließender Aufzählung nur die wichtigsten Umstände nennt.

Bei der Ermittlung der angemessenen Gebühr ist zunächst von der Mittelgebühr auszugehen. Im Rahmen einer Gesamtschau sind dann gem. § 14 Abs. 1 S. 1 RVG alle Umstände zu bewerten, darunter die ausdrücklich in dieser Vorschrift genannten Kriterien. Sodann ist zu prüfen, ob Zuschläge zu oder Abschläge von der Mittelgebühr zu machen sind (vgl. dazu auch Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 4. Aufl. 2015, Teil A: Rahmengebühren [§ 14]; Rn 1603 m.w.N.). Die mit der Kostenfestsetzung befassten Rechtspfleger richten in der Praxis ihr Augenmerk häufig nur in eine Richtung. Sie suchen nämlich in erster Linie nach Umständen, die einen Abschlag rechtfertigen können. Umstände, die zu einer Anhebung der Mittelgebühr führen oder einen Abschlag ggf. kompensieren können, werden eher selten gewürdigt.

Insb. der Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber kommt gerade in Strafsachen oft ein erhebliches Gewicht zu. Das gilt vor allem, wenn die Verhängung einer Haftstrafe droht (siehe z.B. OLG Düsseldorf RVGreport 2011, 57 (Burhoff) und RVGreport 2013, 54 (ders.) = NStZ-RR 2013, 63 = JurBüro 2013, 80). Dabei kommt es für die Bewertung des Kriteriums "Bedeutung der Angelegenheit" auf die (subjektive) Sicht des Auftraggebers an. Zu berücksichtigen ist somit sowohl eine tatsächliche, als auch eine ideelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche oder rechtliche Bedeutung gerade für den Auftraggeber (LG Essen RVGreport 2015, 457 [Burhoff]). In einer Strafsache ist die Bedeutung der Angelegenheit somit daran zu messen, was es für den Auftraggeber = Angeklagten bedeutet, nicht so hoch oder gar nicht bestraft zu werden (LG Essen, a.a.O.).

Allerdings erschließen sich diese Umstände dem für die Entscheidung über den Kostenfestsetzungsantrag des Mandanten zuständigen Rechtspfleger nicht ohne Weiteres aus den Gerichtsakten. Es ist deshalb anzuraten, auf derartige Umstände in dem Festsetzungsantrag ausdrücklich hinzuweisen. Dies hatte hier Rechtsanwalt T. erst in der Begründung der sofortigen Beschwerde des Angeklagten getan.

Im Übrigen empfiehlt es sich, in dem betreffenden Festsetzungsantrag sämtliche Umstände zumindest stichwortartig anzusprechen, die den Rechtsanwalt zur Bestimmung der geltend gemachten Rahmengebühren veranlasst haben. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ergibt sich beispielsweise nur zum Teil aus den Gerichtsakten, während umfangreiche Besprechungen mit dem Mandanten oder eine zeitaufwendige Vorbereitung der Beweisaufnahme keinen Niederschlag in den Gerichtsakten finden.

VorsRiLG a.D. Heinz Hansens

zfs 2/2016, S. 106 - 108

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