BGB § 249
Leitsatz
Rechnet der Geschädigte seinen Schaden aus einem Verkehrsunfall fiktiv ab, kommt es für die Dauer einer geschuldeten Nutzungsausfallentschädigung auf die objektiv erforderliche Dauer der Wiederherstellung an, wohingegen konkret eingetretene Verzögerungen außer Betracht bleiben.
LG Saarbrücken, Urt. v. 15.5.2015 – 13 S 12/15
Sachverhalt
Mit der vorliegenden Klage macht die Kl. Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 27.1.2013 ereignete. Die Einstandspflicht der Bekl. dem Grunde nach steht außer Streit.
Das von der Kl. in Auftrag gegebene Schadensgutachten wies einen Wiederbeschaffungswert von 15.800 EUR (brutto), einen Restwert von 5.150 EUR (brutto) sowie eine Wiederbeschaffungsdauer von 14 Kalendertagen aus. Die Kl. kaufte einen neuen Citroën Berlingo für 16.454,64 EUR (brutto), einschließlich 628,57 EUR (netto) Überführungskosten. Ihren beschädigten Suzuki Grand Vitara ließ sie vom 31.1.bis zum 31.5.2013 unterstellen. Die Bekl. zahlten auf den Wiederbeschaffungsaufwand 7.680,67 EUR, ferner ein Standgeld von 150 EUR und eine Nutzungsausfallentschädigung von 720 EUR.
Erstinstanzlich hat die Kl. behauptet, die Zweitbeklagte habe eine Verwertung des Unfallwagens gem. Schadensgutachten untersagt und erklärt, das Deckungsrisiko bei Scheckzahlung auf das von ihr vorgelegte Restwertangebot sei Sache der Kl.
Mit der Klage hat sie restlichen Wiederbeschaffungsaufwand i.H.v. 1.510 EUR, ein weiteres Standgeld von 455 EUR, weitere Nutzungsausfallentschädigung von 1.880 EUR, Überführungskosten von 628,57 EUR sowie eine Unkostenpauschale von 25 EUR, insgesamt 4.498,57 EUR nebst vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten und Zinsen geltend gemacht.
Die Bekl. haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie haben behauptet, die Firma … habe ein verbindliches Restwertangebot über 6.660 EUR abgegeben, das der Kl. am 7.2.2013 zugegangen sei. Sie meinen, die Kl. hätte dieses Angebot annehmen müssen.
Durch Beschl. v. 22.4.2014 hat sich das AG Homburg für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das AG St. Ingbert verwiesen. Das Erstgericht, auf dessen Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Bekl. könnten die Kl. auf das Angebot der Firma … verweisen. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Zweitbeklagte eine Nachhaftung für das Angebot in Abrede gestellt habe. Der Kl. stehe keine weitere Nutzungsausfallentschädigung zu, weil ihr Fahrzeug in Fahrzeuggruppe D bis E einzustufen sei. Die Kl. habe die Bekl. nicht über eine finanzielle Notlage informiert, die ihr eine Ersatzbeschaffung unmöglich gemacht hätte. Der Anfall von Überführungskosten bei Ersatzbeschaffung sei nicht bewiesen.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Kl. ihr erstinstanzliches Klagebegehren – unter Ansatz einer Nutzungsausfallentschädigung von nur mehr 43 EUR pro Tag –weiter. Sie rügt im Wesentlichen, das Erstgericht habe die Beweislast verkannt, die erhobenen Beweise und den Anspruch der Kl. unrichtig gewürdigt.
Die Bekl. verteidigen die angegriffene Entscheidung. Zuletzt haben sie einen Anspruch auf eine Nutzungsausfallentschädigung für 20 Tage à 43 EUR unstreitig gestellt.
2 Aus den Gründen:
" … II. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. In der Sache hat sie lediglich einen geringen Teilerfolg, soweit die Kl. eine Nutzungsausfallentschädigung von weiteren 140 EUR und eine Unkostenpauschale von 25 EUR begehrt."
1. Ohne Erfolg wendet sich die Berufung dagegen, dass das Erstgericht den Anspruch der Kl. auf Ersatz des Wiederbeschaffungsaufwandes als erfüllt angesehen hat. Entgegen dem Berufungsangriff ist es nicht zu beanstanden, dass die Bekl. von dem Wiederbeschaffungswert von netto 13.277,31 EUR einen Restwert in Höhe des Kaufangebots der Firma … von netto 5.596,64 EUR in Abzug gebracht haben.
a) Im Totalschadensfall kann der Geschädigte den Wiederbeschaffungsaufwand, d.h. Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert, ersetzt verlangen (vgl. BGH, Urt. v. 1.6.2010 – VI ZR 316/09, VersR 2010, 963 f.; Urt. v. 7.6.2005 – VI ZR 192/04, VersR 2005, 1257 ff.). Dabei darf er das Fahrzeug regelmäßig zu dem Preis veräußern, den das Schadensgutachten auf der Grundlage einer konkreten Wertermittlung für den allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (vgl. BGH, Urt. v. 1.6.2010 a.a.O.; Urt. v. 13.10.2009 – VI ZR 318/08, VersR 2010, 130 f.). Er ist grds. nicht verpflichtet, einen Sondermarkt in Anspruch zu nehmen (vgl. BGH, Urt. v. 6.3.2007 – VI ZR 120/06, BGHZ 171, 287 ff.; Urt. v. 7.12.2004 – VI ZR 119/04, VersR 2005, 381 ff.). Allerdings kann er im Rahmen des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB gehalten sein, von einer grds. zulässigen Verwertung Abstand zu nehmen und im Rahmen des Zumutbaren andere sich ihm bietende Verwertungsmöglichkeiten zu ergreifen (vgl. BGH, Urt. v. 1.6.2010 a.a.O.; Urt. v. 12.7.2005 – VI ZR 132/04, BGHZ 163, 362 ff.). Eine solche Ausnahme ist gegeben, wenn der Schädiger dem Geschädigten eine ohne Weiteres zugängliche günstigere Verwertungs...