Im Bereich des Beförderungsrechts bzw. der Passagierrechte bildet auch im Jahr 2015 wieder das Luftbeförderungsrecht einen deutlichen Schwerpunkt (sowohl wirtschaftlich als auch nach Fallzahlen). Konkret standen die Ausgleichsansprüche nach Art. 7 der Europäischen Fluggastrechte-Verordnung im Vordergrund. Hingegen haben sich eher wenige Praktiker mit der Geltendmachung oder Abwehr von Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen nach tödlichen Massenunglücken bzw. Großschadensereignissen zu befassen.
I. Beförderungsverweigerung durch Umbuchung im Rahmen einer Pauschalreise
Zu entscheiden war im Berichtszeitraum über etwaige Ausgleichsansprüche von Pauschalreisenden gegenüber dem Luftverkehrsunternehmen nach erfolgter Umbuchung. Gebucht worden war eine Flugpauschalreise in die Türkei mit planmäßigem Hinflug um 9.00 Uhr. Wenige Tage vor Reisebeginn teilte der Pauschalreiseveranstalter den betroffenen Reisenden mit, dass sie auf einen anderen Hinflug umgebucht worden seien und dass der Flug erst um 15.30 Uhr starten werde. So wurden die Reisenden dann auch befördert. Die vier betroffenen Reisenden begehren von dem Luftfahrtunternehmen die Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 lit. b) der Fluggastrechte-Verordnung in Höhe von jeweils 400 EUR. Die Fluggesellschaft behauptet jedoch, von einer durch den Reiseveranstalter vorgenommenen Umbuchung keine Kenntnis gehabt zu haben. Die Reisenden hätten sich auch nicht rechtzeitig zur Abfertigung für den früheren Flug eingefunden. Dazu entschied der BGH mit Urteil vom 17.3.2015, dass es auf ein Erscheinen zur Abfertigung oder am Ausgang nicht ankommt, wenn das Luftverkehrsunternehmen bereits zuvor unzweideutig zum Ausdruck gebracht hat, dem Fluggast die Beförderung auf dem gebuchten Flug zu verweigern. Angesichts des von der Fluggastrechte-Verordnung angestrebten hohen Schutzniveaus kann das Erscheinen am Ausgang nicht in allen Fällen als Voraussetzung für einen Ausgleichsanspruch gefordert werden. Erklärt ein Luftverkehrsunternehmen den Fluggästen schon zu einem frühen Zeitpunkt, sie nicht mit dem gebuchten Flug befördern zu wollen, würde es dem von der Fluggastrechte-Verordnung angestrebten Schutz der Fluggäste zuwiderlaufen, wenn der Ausgleichsanspruch wegen Nichtbeförderung auch bei dieser Konstellation vom Erscheinen des Fluggastes am Flugsteig abhängig gemacht würde. In diesem Fall wäre bereits das Erscheinen zur Abfertigung eine sinnlose, unter Umständen mit beträchtlichem Anreiseaufwand verbundene Handlung des Fluggastes. Außerdem könnte der Fluggast ohne Abfertigung durch das Luftverkehrsunternehmen ohnehin nicht bis zum Flugsteig (also bis zum Ausgang) gelangen. Ein ausdrücklicher Widerspruch der Fluggäste gegen die Umbuchung bzw. Beförderungsverweigerung ist in derartigen Konstellationen nicht erforderlich. Die Beförderungsverweigerung muss lediglich "gegen den Willen" der Fluggäste erfolgt sein, was wiederum aus der fehlenden Zustimmung zur Umbuchung geschlossen werden kann. Ob die betroffenen Reisenden über eine bestätigte Buchung für den ursprünglichen Flug verfügten und ob sich eine Beförderungsverweigerung aus der Umbuchungsmitteilung des Veranstalters ergab, konnte der BGH indes nicht prüfen, weil das vorangegangene Urteil des (die Klage abweisenden) Berufungsgerichts dazu keine hinreichenden Feststellungen enthielt. Der BGH hob das Berufungsurteil daher auf und verwies die Sache zurück an das Berufungsgericht.
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf eine schon vor dem Berichtszeitraum ergangene Entscheidung des AG Hannover vom 10.12.2013 : Werden die betroffenen Reisenden schon im Transferbus auf dem Weg vom Urlaubshotel zum Flughafen durch die Reiseleitung des Pauschalreiseveranstalters über eine deutliche Verspätung des Rückflugs informiert und direkt in ein flughafennahes Hotel zur Überbrückung der Wartezeit gefahren, so muss sich das Luftfahrtunternehmen dies zurechnen lassen, unabhängig davon, ob es das Verhalten autorisiert hat oder nicht. In einer derartigen Situation wäre es bloße Förmelei, noch auf einem rechtzeitigen Check-in zur ursprüngliche...