StGB § 69a Abs. 1 S. 3, Abs. 6, Abs. 5
Leitsatz
Der Lauf einer Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis beginnt mit der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung (§ 69a Abs. 5 S. 1 StGB). Satz 2 dieser Vorschrift ist im Fall einer isolierten Sperre (§ 69a Abs. 1 S. 3 StGB) nicht anwendbar.
Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 19.11.2015 – 12 PA 150/15
1 Aus den Gründen:
"Die Beschwerde des Kl. gegen den seinen Prozesskostenhilfeantrag ablehnenden Beschluss des VG [Hannover, Beschl. v. 13.8.2015 – 15 A 2250/15] ist nicht begründet."
Das VG hat den Antrag des Kl., ihm Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren zu bewilligen, mit dem sich der Kl. gegen die Ablehnung seines Antrags auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis wendet, zu Recht abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht bietet (§ 114 Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. § 166 Abs. 1 S. 1 VwGO). Zur Begründung heißt es in dem angegriffenen Beschluss: Die beantragte Fahrerlaubnis habe wegen der mit Strafbefehl des Amtsgerichts D. vom 29.1.2013 angeordneten und noch bis zum 29.4.2016 laufenden Sperrfrist nicht erteilt werden dürfen. Die Sperrfrist beginne mit der (am 30.10.2014 eingetretenen) Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung. Eine analoge Anwendung des § 69a Abs. 5 S. 2 StGB, wonach die Zeit einer wegen der Tat angeordneten vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis in die Frist eingerechnet werde, auf die (hier verfügte) isolierte Sperrfrist mit der Folge, dass die Frist vorliegend bereits ab dem 29.1.2013 zu laufen begonnen hätte, komme angesichts des Gesetzeswortlauts und einer insoweit fehlenden planwidrigen Regelungslücke nicht in Betracht.
Der Kl. vertritt demgegenüber die Auffassung, dass die Sperrfrist von einem Jahr und sechs Monaten hier bereits am 29.7.2014 abgelaufen sei, weil nach der Hauptverhandlung vom 29.1.2013 keine gerichtliche Prüfung mehr stattgefunden habe, ob er weiterhin zum Führen von Fahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr als ungeeignet anzusehen sei, sondern es im Rechtsmittelverfahren allein darum gegangen sei, ob sein Nichterscheinen im Hauptverhandlungstermin als entschuldigt anzusehen war. Diese Erwägungen des Kl. geben zu einer anderen Beurteilung keinen Anlass. Der Senat folgt dem VG und der seit Langem herrschenden Meinung (vgl. nur König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. § 69a StGB Rn 10 m.w.N.; OLG Nürnberg, Beschl. v. 31.10.1986 – Ws 824/86, DAR 1987, 28; siehe auch VG Braunschweig, Beschl. v. 13.7.2004 – 6 B 297/04, juris) darin, dass eine analoge Anwendung von § 69a Abs. 5 S. 2 StGB auf Fallgestaltungen der vorliegenden Art, in denen eine isolierte Sperre verhängt wurde, nach dem klaren, an eine vorläufige Entziehung bzw. Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 i.V.m. § 94 StPO) anknüpfenden Wortlaut der Vorschrift und angesichts des Regelungsgehalts des § 69a Abs. 5 S. 2 StGB ausscheidet, so dass es bei der Regel bleibt, wonach die Sperre mit der Rechtskraft des Urteils oder dementsprechend des Strafbefehls beginnt (§ 69a Abs. 5 S 1 StGB). In seinem Beschl v. 25.9.2009 (1 B 430/09, [zfs 2009, 714, 715 =] DAR 2009, 718) hat das OVG des Saarlandes zur Begründung dieser Auffassung Folgendes ausgeführt:
“Die dort (gemeint: § 69a Abs. 5 S. 2 StGB) vorgesehene Anrechnung findet ihre Rechtfertigung darin, dass der Fortbestand der vorläufigen Entziehung bzw. – gemäß § 69a Abs. 6 StGB – der Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins nach Maßgabe des § 94 StPO in der Zeit zwischen Verkündung und Rechtskraft des Urteils weiterhin maßregelnd auf den Verurteilten einwirkt. Demgegenüber wirken in Fällen der isolierten Sperrfrist keine den in § 69a Abs. 5 S. 2 und Abs. 6 StGB genannten Maßnahmen vergleichbaren Umstände auf den Verurteilten ein, so dass die geforderte Einrechnung der seit Urteilserlass verstrichenen Zeit allein durch den Zeitablauf bedingt wäre. Aus dem Regelungsgefüge des Abs. 5 S. 1 und S. 2 des § 69a StGB ergibt sich aber unmissverständlich, dass bloßer Zeitablauf an sich nicht zu einem Beginn der Sperre vor Rechtskraft führen soll. Nur ausnahmsweise soll unter den Voraussetzungen des Satzes 2 eine Einrechnung erfolgen. Die vom Antragsteller befürwortete analoge Anwendung dieser Vorschrift stünde daher im Widerspruch zum Regelungsgehalt der bewusst als Ausnahme konzipierten Einrechnung nur ganz bestimmter Zeiten, in denen eine Maßregel der Besserung und Sicherung (§§ 61 Nr. 5, 69a Abs. 5 S. 2 StGB) bzw. eine gemäß § 69a Abs. 6 StGB gleichgestellte strafprozessuale Maßnahme auf den Verurteilten einwirkt.’
Der Senat macht sich diese Erwägungen zu eigen. Es besteht kein Grund zu der Annahme, der Gesetzgeber habe bei der Schaffung der hier in Rede stehenden Einrechnungsregelung die Fälle der isolierten Sperre übersehen. Diese Fälle sind den in § 69a Abs. 5 S. 2 und Abs. 6 StGB geregelten Fallgestaltungen, in denen dem Betroffenen durch die endgültige Entziehung der Fahrerlaubnis vorwegnehmende strafprozessuale Maßnahmen ein...