Das Auslesen von Fahrzeugdaten mit Hilfe des EDR als Unterstützung für eine erfolgreiche Unfallrekonstruktion bietet für den den Fall am Ende entscheidenden Juristen eine Reihe an Vorteilen bei der Aufklärung und Bewertung dieser Unfallereignisse.
I. Grundsätzliche Vorzüge
Die bisherige Unfallrekonstruktion leidet immer mehr an dem Fehlen jeglicher Spuren zur Aufklärung des Verhaltens der Fahrzeugführer vor und ggf. auch nach der Kollision und ist insbesondere auch auf eine gut dokumentierte Unfallendstellung der Fahrzeuge und ihrer Schäden sowie wahrheitsgemäße, aber subjektiv geprägte Aussagen zu einem möglichen Lenk- und Bremsverhalten vor der Kollision angewiesen. Diese Gesichtspunkte können nunmehr mit Hilfe des EDR aufgeklärt werden und eine deutlich bessere Entscheidungsgrundlage liefern. Dabei besteht auch die Besonderheit, dass bei einem nicht unerheblichen Anteil an Fahrzeugen diese für die Unfallrekonstruktion notwendigen Daten aus den Speichergeräten des Fahrzeugs ausgelesen werden können, ohne dass der Sachverständige zwingend auf Mithilfe des Fahrzeugherstellers angewiesen ist.
II. Fallgruppen
Dabei lassen sich für den Juristen bereits einige Fallgruppen erkennen, bei denen dieser Auslesung eine besondere Bedeutung zukommen kann.
1. Ungeklärter Kollisionspunkt
Steht z.B. der konkrete Punkt der Kollision im Begegnungsverkehr oder aber auf einer Kreuzung nicht fest, kann ggf. durch Ermittlung der Lenkbewegungen der Fahrzeugführer ermittelt werden, wer auf wessen Fahrbahn geraten ist. Dementsprechend kann dann auch ein Anscheinsbeweis bei dem Abkommen auf die Gegenfahrbahn, dem Abbiegen in den Gegenverkehr oder der Einfahrt in den Kreuzungsbereich als wartepflichtiger Verkehrsteilnehmer eingreifen.
Gerade bei Fällen, bei denen keine ausreichend deutlichen Schlagspuren den Moment der Kollision kennzeichnen, dürfte diese Aufklärungsmöglichkeit von besonderer Bedeutung sein.
2. Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit
Derzeit ist die Unfallrekonstruktion von erheblichen Unsicherheiten bei der Ermittlung der Ausgangsgeschwindigkeit der betroffenen Fahrzeugführer geprägt. Beim Fehlen von Spuren zu einem möglichen Abbremsen oder anderen Ausweichverhalten können allenfalls die subjektiven Angaben der Fahrzeugführer zu einer möglichen Reduzierung der Geschwindigkeit durch ein Abbremsen bzw. gar der Ausgangsgeschwindigkeit zugrunde gelegt werden. Für den Beweis einer bestimmten Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ist der Zeugenbeweis jedoch ein denkbar ungeeignetes Beweismittel, wenn nicht die besondere Sachkunde des Zeugen dargelegt oder Bezugstatsachen erläutert werden. Mit dem Auslesen des EDR ist es dagegen möglich, bereits die gefahrene Geschwindigkeit vor der Kollision ebenso wie den möglichen Punkt einer ersten Reaktion durch ein Bremsen bzw. eine Lenkbewegung zu berücksichtigen.
Gerade die Fälle, bei denen die Unfallendstellung nicht ausreichend dokumentiert ist, und Spuren zu einem möglichen Bremsverhalten vor der Kollision können hierdurch unter den o.g. Gesichtspunkten viel besser aufgeklärt werden.
3. Vermeidbarkeit für den Vorfahrtsberechtigten
Bisher werden viele Unfälle durch die schlichte Anwendung des Anscheinsbeweises entschieden. Steht fest, dass ein Fahrzeugführer z.B. den Fahrstreifen gewechselt oder in die Vorfahrtsstraße eingefahren ist, greift zu seinen Lasten die Vermutung ein, dass er den Unfall durch einen Verstoß gegen eine der einschlägigen Kardinalvorschriften verursacht hat. Den bevorrechtigten Fahrzeugführer trifft zwar auch die Pflicht, rechtzeitig auf dieses Fahrmanöver durch ein Bremsen bzw. Ausweichen zu reagieren. Ob ihm dies tatsächlich möglich gewesen ist, kann i.d.R. aber mangels ausreichender Anknüpfungstatsachen nur schwer festgestellt werden. Dies dürfte sich bei dem Auslesen der Daten aus dem EDR ggf. ändern. Kann ein solcher Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO bei dem Vorfahrtsberechtigten festgestellt werden, trifft ihn dann eine Mithaftung in einer Größenordnung von 25 bis 30 %.
Bzgl. der gefahrenen Geschwindigkeit und des Zeitpunkts der erfolgten Reaktion ergeben sich so wertvolle weitere Erkenntnisse, die ansonsten nur mit einer erheblichen Bandbreite (wenn überhaupt) ermittelt bzw. bestimmt werden können.
4. Grundlage für das Aufdecken von Unfallmanipulationen
Von besonderer Bedeutung dürfte das Auslesen der Fahrzeugdaten mit Hilfe des EDR für den Bereich der Betrugsabwehr bei dem Nachweis sowohl verabredeter als auch provozierter Verkehrsunfälle sein. Gerade bei den provozierten Ereignissen kommt es auf den Nachweis der Vermeidbarkeit der Kollision durch den an si...