Die prozessuale Grundlage, um das Auslesen von Fahrzeugdaten als Bestandteil der Unfallrekonstruktion zu ermöglichen, findet sich in den §§ 142, 144 ZPO. Das Gericht kann beispielsweise gem. § 142 Abs. 1 ZPO anordnen, dass eine Partei oder ein Dritter die in ihrem Besitz befindlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, auf die sich eine Partei bezogen hat, vorlegt. Zu Recht werden in der Literatur auch Daten zur Unfallrekonstruktion und ihre Dokumentation wie beispielsweise ein Ausleseprotokoll des EDR als sonstige Unterlagen dieser Vorschrift zugeordnet. Bei einem entsprechenden Antrag muss die Partei aber auch darlegen, welche konkreten Tatsachen durch diese Unterlagen bewiesen werden sollen und warum diese beweiserheblich sind. Ob eine solche Anordnung erfolgt, steht zwar grundsätzlich im Ermessen des Gerichts, welches sich aber bei einem förmlichen Beweisantrag auf Null reduziert.
Ordnet das Gericht die Begutachtung durch einen Sachverständigen an, kann es zu diesem Zweck einer Partei oder einem Dritten auch auferlegen, einen in ihrem Besitz befindlichen Gegenstand dem Sachverständigen vorzulegen. Dies bildet beispielsweise die Grundlage für die Übergabe eines Kfz an einen gerichtlich bestellten Sachverständigen zum Zwecke des Auslesens von Fahrzeugdaten. Ist der Sachverständige darauf angewiesen, dass ihm bestimmte Geräte oder Software für das Auslesen der Fahrzeugdaten zur Verfügung gestellt wird oder aber der Hersteller gespeicherte Daten über einen Code zugänglich macht, dürfte § 144 ZPO die zutreffende Grundlage für eine entsprechende Anordnung gegenüber dem Hersteller sein, wobei ggf. auch zwischen dem Fahrzeughersteller und dem Hersteller einzelner Speichergeräte zu unterscheiden sein kann. Anerkannt ist jedenfalls bereits, dass Dritte z.B. im Fall verschlüsselter E-Mails nach § 144 ZPO aufgefordert werden können, einen Zugriff durch Freigabe bzw. Mitteilung des Codes sicherzustellen. Um dem Geheimhaltungsinteresse des Herstellers an den verwendeten Codes bzw. Algorithmen Rechnung zu tragen, dürfte es i.d.R. auch genügen, wenn dieser das Auslesen der Daten durch eigene Mitwirkung vor Ort ermöglicht, ohne die Art und Weise der Verschlüsselung selber mitteilen zu müssen.
Autor: Dr.-Ing. Oliver Brockmann , Kottenheim und RA Dr. Michael Nugel , FA für Verkehrsrecht und für Versicherungsrecht, Essen
zfs 2/2016, S. 64 - 69