OWiG § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 § 51; StVG § 26 Abs. 3; VwZG § 8
Leitsatz
1. Fehlt es an einer wirksamen Zustellung des Bußgeldbescheides, kommt es nicht zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist auf sechs Monate nach §§ 26 Abs. 3 StVG, 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 OWiG. Allerdings können andere Tatbestände des § 33 OWiG (innerhalb der dreimonatigen Frist) die Verjährung weiterhin unterbrechen.
2. Ein Zustellungsmangel wird durch das Faxen des Bescheides von dem Betroffenen an den Verteidiger auch nicht gem. § 51 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 8 VwZG durch einen nachträglichen tatsächlichen Zugang beim Empfangsberechtigten geheilt. Es entspricht st. Rspr. der hiesigen Bußgeldsenate, das eine wirksame Zustellung an den Verteidiger jedenfalls voraussetzt, dass der Bußgeldbescheid erkennbar an ihn adressiert ist.
OLG Celle, Beschl. v. 18.8.2015 – 2 Ss (OWi) 240/15
Sachverhalt
Das AG hat die Betroffene wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 39 km/h zu einer Geldbuße von 120 EUR verurteilt. Die Betroffene beruft sich auf Verjährung. Dem liegt folgendes Geschehen zugrunde:
Die Betroffene wurde mit Schreiben vom 16.4.2014 durch die Bußgeldbehörde angehört. Dieses Schreiben war an die Adresse der Betroffenen in Stadt X gerichtet. Auf die Anfrage der Bußgeldbehörde an die Meldebehörde in Springe zur Überprüfung der Meldedaten teilte diese am 28.4.2014 mit, dass die Betroffene aus der Wohnung in X am 1.12.2013 ausgezogen und zum selben Zeitpunkt in die Stadt Y gezogen sei. Die Bußgeldbehörde adressierte den Bußgeldbescheid vom 16.5.2014, mit dem gegen die Betroffene ein Bußgeld i.H.v. 156 EUR und ein Fahrverbot von einem Monat Dauer wegen einer beharrlichen Pflichtverletzung verhängt wurde, an die Adresse in Y. Dort wurde der Bußgeldbescheid am 21.5.2014 zugestellt. Nach Einspruch durch den Verteidiger der Betroffenen ging die Akte am 8.7.2014 beim AG ein. Eine durch das Gericht eingeholte Einwohnermeldeamtsauskunft ergab, dass die Betroffene bis zum 30.4.2014 an der Adresse in Y gewohnt hat und dann an die Adresse in X verzogen ist. Am 11.8.2014 erfolgte sodann die Terminierung für den 24.10.2014. Dieser Termin wurde am 23.10.2014 wegen Erkrankung der Betroffenen aufgehoben. Erst am 22.12.2014 erfolgte eine erneute Terminierung für den 13.3.2016, die dann später wieder verschoben wurde auf den 20.4.2015. Die Betroffene beruft sich auf Verjährung, weil der Bußgeldbescheid nicht wirksam zugestellt worden sei und daher keine Verlängerung der Verjährungsfrist gem. § 26 Abs. 3 Hs. 2 StVG auf sechs Monate erfolgt sei. Daher sei drei Monate nach dem 16.4.2014 Verjährung eingetreten; auf die weiteren Unterbrechungstatbestände wie den Eingang der Akten beim AG am 8.7.2014 komme es nicht an. Tatsächlich habe die Betroffene den Bußgeldbescheid zu keinem Zeitpunkt erhalten. Lediglich ihrem Verteidiger sei von der Mutter der Betroffenen der Bußgeldbescheid zugefaxt worden. Das Original des Bußgeldbescheides sei daraufhin vernichtet worden.
Im angefochtenen Urteil vertritt das AG die Auffassung, dass keine Verjährung eingetreten sei, da sich spätestens mit Eingang der Akten bei Gericht die Verjährungsfrist gem. § 26 Abs. 3 StVG von zuvor drei auf sechs Monate verlängert habe.
Das OLG Celle hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, das angefochtene Urteil aufgehoben und das Verfahren eingestellt.
2 Aus den Gründen:
"Die Rechtsbeschwerde war zur Sicherung einer einheitlichen Rspr. zuzulassen. Zwar gilt nach § 80 Abs. 3 OWiG, dass grds. im Rechtsbeschwerdeverfahren nur solche Verfahrenshindernisse relevant sind, die nach Erlass des angefochtenen Urteils eingetreten sind. Die Verfolgungsverjährung ist jedoch im Zulassungsverfahren dann zu prüfen, wenn es wegen dieser Frage geboten ist, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (vgl. dazu Göhler-Seitz, 16. Aufl., § 80 Rn 24). Dies ist hier der Fall. Die vom AG vertretene Auffassung widerspricht der höchstrichterlichen Rspr. zur Frage der Verlängerung der Verjährung gem. § 26 Abs. 3 Hs. 2 StVG. Zwar rechtfertigt allein eine Fehlentscheidung eine Zulassung der Rspr. zur Sicherung einer einheitlichen Rspr. nicht, sondern nur dann, wenn eine Wiederholungsgefahr besteht (vgl. dazu Göhler-Seitz, a.a.O., § 80 Rn 5 ff.; OLG Oldenburg DAR 2012, 93). Von einer solchen Wiederholungsgefahr ist hier auszugehen, da die maßgebliche Rechtsfrage bereits höchstrichterlich entschieden worden ist (vgl. dazu grundlegend BGHSt 46, 261 sowie nachfolgend etwa OLG Bamberg, Beschl. v. 12.12.2005 – 3 Ss (OWi) 1354/05), diese Rspr. dem AG aufgrund des vorherigen Hinweises durch den Verteidiger bekannt war und der Amtsrichter trotzdem von dieser Entscheidung abgewichen ist. Ein Sicherungsbedürfnis ist daher in diesem Ausnahmefall zu bejahen (vgl. auch KK-Senge, OWiG, 4. Aufl., § 80 Rn 15)."
Nach § 80a Abs. 3 S. 1 OWiG war das Verfahren daher zugleich dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern zu übertragen. Auf die zugelassene Rechtsbeschwerde war das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren einzustellen.
Bereits vor ...