VVG § 128; ARB § 18

Leitsatz

1. Unterlässt es der Rechtsschutz-VR, sich unverzüglich auf Mutwilligkeit zu berufen, kann er dies jedenfalls dann nicht nachholen, wenn er sich den Einwand nicht vorbehalten hat.

2. Die Berufung auf Mutwilligkeit schließt die Berufung auf fehlende Erfolgsaussicht nicht ein.

3. Maßgeblich für die Frage, ob ein Stichentscheid von der wirklichen Sach- und Rechtslage abweicht, ist der Zeitpunkt der Bewilligungsreife.

(Leitsätze der Schriftleitung)

OLG Karlsruhe, Urt. v. 6.12.2016 – 12 U 106/16

Sachverhalt

Die Parteien streiten im Zusammenhang mit dem sog. VW-Abgasskandal um Deckungsansprüche aus einer Rechtsschutzversicherung. Die Kl. ist bei der Bekl. rechtsschutzversichert. Dem Versicherungsvertrag liegen ARB zugrunde, die in § 18 ARB ein Stichentscheidverfahren vorsehen

Am 19.9.2012 bestellte die Kl. bei der G einen Gebrauchtwagen VW P (Erstzulassung: Januar 2012). Das Fahrzeug ist vom sog. VW-Abgasskandal betroffen und deswegen mangelhaft, wobei Ausmaß und Folgen des Mangels zwischen den Parteien streitig sind. Mit Schreiben v. 19.1.2016 erklärte die Kl. gegenüber G die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung, hilfsweise den Rücktritt. G antwortete mit Anwaltsschreiben v. 21.1.2016, dass die geltend gemachten Ansprüche nicht anerkannt würden. Die VW AG bot der Kl. mit Schreiben v. 14.1.2016 an, die zur Nachbesserung geplanten Maßnahmen im Einzelnen zu erörtern.

Die Kl. will eine Klage gegen G und die VW AG erheben, gerichtet auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Am 26.11.2015 richteten die Prozessbevollmächtigten der Kl. deswegen eine entsprechende Deckungsanfrage an die Bekl. Die Bekl. lehnte den begehrten Rechtsschutz mit Schreiben v. 3.2.2016 ab. Hinsichtlich des Vorgehens gegen die VW AG berief sich die Bekl. darin auf den Ausschluss übergegangener Ansprüche; ein Rechtsverstoß der VW AG sei bereits bei Erstzulassung im Januar 2012 erfolgt. Deckungsschutz gegen das Autohaus lehnte die Bekl. "zur Zeit wegen Mutwilligkeit" ab.

Die Prozessbevollmächtigten der Kl. fertigten daraufhin am 8.2.2016 einen Stichentscheid, in welchem sie zum Ergebnis kamen, dass Deckungsschutz zu gewähren sei. Mit E-Mail v. 9.2.2016 (Anl. K7, AH Kl. 375) verblieb die Bekl. bei ihrer Ablehnung.

2 Aus den Gründen:

" … 1. Die Bekl. ist aus dem Versicherungsvertrag verpflichtet, der Kl. Deckung für die beabsichtigte Geltendmachung von Rückabwicklungs- und Schadensersatzansprüchen zu gewähren, § 125 VVG."

a) Das gilt zunächst für die Deckung gegen den Hersteller, die VW AG.

Im Ablehnungsschreiben v. 3.2.2016 hat die Bekl. sich hinsichtlich der VW AG allein auf den Ausschluss wegen übergegangener Ansprüche (§ 3 Abs. 4c der ARB) gestützt. Den Einwand der Mutwilligkeit hat sie lediglich hinsichtlich des Autohauses erhoben.

Einen Leistungsausschluss für übergegangene Ansprüche hat das LG zutreffend verneint, weil sich die Kl. im Verhältnis zur VW AG nicht auf eine Abtretung beruft, sondern geltend macht, sie selbst gehöre originär zum deliktsrechtlich geschützten Personenkreis. Dagegen erinnert auch die Berufung der Bekl. nichts mehr.

Soweit sie sich nunmehr offenbar auf Mutwilligkeit stützen will, ist ihr das verwehrt. Gem. § 18 Abs. 1 S. 1 a.E. ARB sind die dort genannten Ablehnungsgründe – Mutwilligkeit oder fehlende Erfolgsaussicht – unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Unterlässt der VR diese unverzügliche Mitteilung – etwa weil er wie hier die Leistung aus anderen Gründen ablehnt –, kann er sich nicht mehr nachträglich auf einen der Ablehnungsgründe des § 18 Abs. 1 ARB berufen (BGH VersR 2003, 638). Nichts anderes ergibt sich hier aus § 18 Abs. 1 S. 2 und 3 ARB; danach soll sich der VR bei einer ablehnenden Entscheidung aus anderweitigen Gründen den Einwand der Mutwilligkeit oder fehlender Erfolgsaussichten vorbehalten und bei Wegfall des anderweitigen Ablehnungsgrundes noch nachträglich erheben können. Die Wirksamkeit dieser vorformulierten Klausel erscheint zweifelhaft (vgl. BGH a.a.O.), kann aber hier dahinstehen. Denn jedenfalls hat die Bekl. in ihrem Ablehnungsschreiben nicht einmal den nach dieser Klausel erforderlichen ausdrücklichen Vorbehalt ausgesprochen.

b) Auch zur Deckung gegen das Autohaus ist die Bekl. verpflichtet.

aa) Es kann dahinstehen, ob sich die Deckungsverpflichtung der Bekl. bereits daraus ergibt, dass sie die Ablehnung insgesamt nicht unverzüglich erklärt hat, § 18 Abs. 1 a.E. ARB.

Nach st. Rspr. hat der Verstoß gegen die Pflicht zur unverzüglichen Prüfung der Erfolgsaussicht und Stellungnahme über die Eintrittspflicht für den VR den Verlust der darauf gestützten Ablehnungsrechte aus § 18 ARB zur Folge (vgl. BGH VersR 2014, 742 m.w.N.). Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes Zögern. Dabei ist dem VR Zeit für eine sachgerechte Prüfung einzuräumen. Hierfür wird in Rspr. und Literatur im Allgemeinen ein Zeitraum von zwei bis drei Wochen angesetzt (OLG Frankfurt VersR 1998, 357; Harbauer/Bauer, ARB, 8. Aufl., Vor § 18 ARB Rn 8; Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 29. Aufl., § 3a ARB 2010 Rn 1...

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