Sind die Voraussetzungen eines Anspruches auf ein Hinterbliebenengeld grds. gegeben bleibt zu klären, in welchem Konkurrenzverhältnis dieser zu einem Schmerzensgeldanspruch nach der Schockschadenrechtsprechung steht.
I. Unterschiede beider Ansprüche
Beide Ansprüche haben sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede. Der Schmerzensgeldanspruch setzt eine Verletzung eines eigenen Rechtsguts voraus und gilt für Ansprüche aus Vertrags- und Deliktsrechts wie auch der Gefährdungshaftung. Und er greift bereits bei einer bloßen Verletzung der nahestehenden Person ein, welche die Ursache für den "Schockschaden" bei dem Anspruchsinhaber auslöst. Darüber hinaus ist die Schockschadenrechtsprechung nicht auf einen immateriellen Schadensersatz beschränkt.
Das Hinterbliebenengeld stellt dagegen einen Anspruch zugunsten eines bloß mittelbar Betroffenen dar, welcher keine eigene Rechtsgutsverletzung erlitten haben muss. Es gilt auch eine Entschädigung zu ermitteln, die aber nicht dem Ausgleich einer eigenen Gesundheitsbeschädigung, sondern des erlittenen Leides dient. Der Anspruch auf Hinterbliebenengeld erweist sich daher als immaterieller Ersatzanspruch eigener Art für bloß mittelbar geschädigte Personen mit einem besonderen Näheverhältnis.
II. Das Hinterbliebenengeld als Minus
Ein sich hieraus ergebendes Konkurrenzverhältnis kann mithin nur den Fall betreffen, bei dem ein Todesfall eingetreten ist, der Hinterbliebene einen berechtigten immateriellen Anspruch wegen des erlittenen Leids geltend macht und darüber hinaus derart betroffen ist, dass er zugleich eine eigene Gesundheitsbeschädigung nach dem Maßstab der Schockschadenrechtsprechung erleidet.
Dieses Konkurrenz- bzw. Spannungsverhältnis hat auch der Gesetzgeber gesehen. Nach seinem Willen soll mit dem neuen Tatbestand des § 844 Abs. 3 BGB die in der Rechtsprechung entwickelte Fallgruppe "Schockschäden" und damit verbundene Haftung nicht gegenstandslos werden. Vielmehr hebt er in der Gesetzesbegründung hervor, dass ein Anspruch auf Ersatz eines Hinterbliebenengeldes in dem Fall, dass auch die Voraussetzungen der Schockschadenrechtsprechung erfüllt sind, in einem Schmerzensgeldanspruch wegen des Schockschadens aufgehen soll.
Dies ist insoweit konsequent, als dass die Anforderungen an einen solchen eigenen ersatzfähigen Schockschaden viel höher als die für ein Hinterbliebenengeld sind und in beiden Fällen ein immaterieller Ausgleich gefordert wird. Jäger wirft hieran anknüpfend die Frage auf, ob beide Ansprüche nicht sogar nebeneinander bestehen könnten, da ja der Schmerzensgeldanspruch bei einem Schockschaden eine eigene Rechtsgutsverletzung erfordert. Überzeugender Weise wird dies aber zu verneinen sein. Zum einen ist wie dargelegt der Wille des Gesetzgebers recht deutlich in der Gesetzesbegründung formuliert. Zum anderen ist geht es auch bei dem Hinterbliebenengeld um einen immateriellen Ausgleich, bezogen auf persönlich empfundenes Leid. Zwar handelt es sich dabei nicht um ein absolut geschütztes Recht im Deliktsrecht, jedoch in der Sache um eine geringere Auswirkung des Versterbens einer nahestehenden Person bei dem Hinterbliebenen. Dass der damit verbundene vom Gesetzgeber verfolgte Ausgleich in einem intensiveren Schockschaden aufgeht ist nur folgerichtig und steht auch im Einklang mit den nachfolgend erläuterten Erwägungen des Gesetzgebers, wonach die in der Rechtsprechung entwickelten Schmerzensgeldbeträge eine Obergrenze für die Bemessung eines Hinterbliebenengeldes darstellen.
Praxishinweis
Die Beratung des Hinterbliebenen muss daher immer die vorrangige Prüfung beinhalten, ob nicht sogar die Voraussetzungen für einen Schmerzensgeldanspruch wegen eines Schockschadens erfüllt sind.