Auf dem Gebiet des Pauschalreiserechts, also des Reisevertragsrechts der §§ 651a bis 651m BGB, hat der BGH im Berichtszeitraum 2017 insb. die vier nachfolgend näher dargestellten Leitentscheidungen verkündet. Außerdem hat der nationale Gesetzgeber die neue europäische Pauschalreiserichtlinie in deutsches Recht umgesetzt.
I. Verletzung der Mangelanzeigeobliegenheit ohne Belehrung nicht schuldhaft
In der touristischen Praxis passiert es häufig, dass sich betroffene Reisende zwar an der Hotelrezeption über vorgefundene Mängel beschweren, jedoch nicht sofort beim Reiseveranstalter oder bei dessen örtlicher Reiseleitung vorsprechen. So auch in einem vom BGH zu entscheidenden Fall: Gebucht war eine Pauschalreise in die Türkei für zwei Erwachsene und zwei Kinder. Die Unterbringung sollte in einem "Familienzimmer" mit separatem Schlafzimmer erfolgen. Vorgefunden wurde dann jedoch nur ein einzelnes Zimmer ohne Trenntür zwischen den Schlafbereichen. Außerdem lagen verschiedene weitere Mängel vor (Schimmel im Badezimmer und abgelöste Fliesen mit scharfen Kanten im Pool). Nachdem die Beschwerden beim Hotelier zu keiner Besserung führten, kam es erst gegen Ende der Reise zu einer Mängelanzeige bei der Reiseleitung des Veranstalters. Nach der Rückkehr verlangte der Kläger (buchender Reisender) die Minderung des Reisepreises. Der Reiseveranstalter berief sich jedoch für die Zeit vor der Anzeige auf die angebliche Verletzung der Mangelanzeigeobliegenheit. Eine Reisepreisminderung ist gem. § 651d Abs. 2 BGB nicht möglich, soweit es der Reisende schuldhaft unterlässt, den Mangel anzuzeigen. Das AG wies die Klage ab. Auf die Berufung des Klägers verurteilte das LG den Reiseveranstalter weitgehend zur Zahlung. Mit Urteil vom 21.2.2017 entschied der BGH dazu dann wie folgt: Hat der Reiseveranstalter den Reisenden nicht ordnungsgemäß auf seine Obliegenheit hingewiesen, ihm einen Reisemangel anzuzeigen, wird vermutet, dass der Reisende die Mangelanzeige nicht schuldhaft versäumt hat. Nach § 6 Abs. 2 Nr. 7 BGB-InfoV und nach § 651a Abs. 3 BGB muss die Reisebestätigung, die der Reiseveranstalter dem Reisenden bei oder unverzüglich nach Vertragsschluss auszuhändigen hat (§ 6 Abs. 1 BGB-InfoV), unter anderem Angaben über die Obliegenheit des Reisenden enthalten, dem Reiseveranstalter einen aufgetretenen Mangel anzuzeigen. Der Hinweis muss hinreichend deutlich und bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit des Kunden ohne weiteres erkennbar sein. Im vorliegenden Fall war das nicht gegeben. Die Revision des Reiseveranstalters gegen das Berufungsurteil wurde daher vom BGH als unbegründet zurückgewiesen.
II. Bei fehlenden Ausweispapieren keine Kündigung des Reisevertrags wegen höherer Gewalt
Gebucht worden war eine Pauschalreise für eine dreiköpfige Familie in die Vereinigten Staaten von Amerika. Die buchende Mutter beantragte vor Reiseantritt für sich selbst und für ihre Tochter neue Reisepässe bei der zuständigen Gemeinde des Wohnsitzes. Diese Pässe wurden ausgestellt und auch rechtzeitig übergeben. Jedoch meldete die Bundesdruckerei die an die Gemeinde versandten Ausweisdokumente später als abhandengekommen, weil eine entsprechende (von der Gemeinde auszustellende) Eingangsbestätigung angeblich nicht vorlag. Daher wurde Mutter und Tochter am Abreisetag der Abflug in die USA verweigert. Der Reiseveranstalter zahlte nur einen Teil des Reisepreises zurück. Die buchende Mutter (Klägerin) begehrte die Rückzahlung des gesamten Reisepreises vom Veranstalter und berief sich dabei auf eine Kündigung wegen höherer Gewalt. Gem. § 651j Abs. 1 BGB kann ein Reisevertrag sowohl vom Reiseveranstalter als auch vom Reisenden gekündigt werden, wenn die Reise infolge bei Vertragsabschluss nicht voraussehbarer höherer Gewalt erheblich erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt wird. Der Veranstalter verliert dann nach § 651j Abs. 2 i.V.m. § 651e Abs. 3 S. 1 und 2 BGB grds. den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis (insb. für die nicht erbrachten Reiseleistungen). Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen ohne Erfolg. Der BGH wies dann auch die Revision der Klägerin zurück. Unter höherer Gewalt wird nach ständiger Rechtsprechung ein von außen kommendes, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisendes und auch durch die äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis verstanden. Erfasst sind etwa Naturkatastrophen oder allgemeine staatlich angeordnete Reisebeschränkungen. Es handelt sich um einen besonderen Fall der Störung oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, deren Ursache keine...