Anfang Oktober 2016 (also im Jahr vor dem Berichtszeitraum dieses Artikels) kam es bei der der TUIfly zu zahlreichen Flugverspätungen und Annullierungen. Zur Vorgeschichte: Nachdem die Unternehmensleitung die Belegschaft am 30.9.2016 darüber informierte hatte, dass Gespräche über einen Unternehmensverbund geführt werden sollen, sandte ein "Krisenstab" der Arbeitnehmervertreter noch am selben Tag ein Informationsschreiben an alle Mitarbeiter. An den folgenden Tagen stieg der Krankenstand im Cockpit und beim Kabinenpersonal stetig an – in der Spitze auf bis zu 89 % des diensthabenden Cockpitpersonals und bis zu 62 % des diensthabenden Kabinenpersonals. Daraufhin kam es zu Flugverspätungen. Das Luftfahrtunternehmen annullierte schließlich zahlreiche seiner Flüge. Erst nach einer Mitteilung vom 7./8.10.2016 an die Mitarbeiter, dass eine Einigung mit der Arbeitnehmervertretung erfolgt sei, ging der Krankenstand schlagartig zurück. Nach derzeitigem Kenntnisstand hatten die ungewöhnlichen "Erkrankungen" wohl keine weiteren innerbetrieblichen Folgen. Arbeitsgerichtlich kam es zu keinem Verfahren gegen den "wilden Streik". Die vorgelegten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wurden nicht angezweifelt, die möglicherweise zu Unrecht nicht am Arbeitsplatz erschienenen Mitarbeiter wurden nicht abgemahnt. Auch wurden von der Geschäftsleitung trotz der immensen Schäden keine Strafanzeigen erstattet.
Tausende der von den Unregelmäßigkeiten betroffenen Fluggäste begehrten später Ausgleichszahlungen nach Art. 7 der Fluggastrechteverordnung von dem Luftfahrtunternehmen. In den zahlreichen Gerichtsverfahren versuchte sich das Luftfahrtunternehmen dann regelmäßig über Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung zu entlasten: Die Annullierung solle jeweils auf außergewöhnliche Umstände zurückgehen, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
Fraglich ist also, ob die massenhaften "Erkrankungen" wirklich einen außergewöhnlichen Umstand darstellen (dann also wie ein "ordentlicher" Streik zu behandeln wären) und ob das Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat.
Bisher (also fast 1 ½ Jahre nach den streitgegenständlichen Ereignissen) hat sich dazu noch keine einheitliche Rechtsprechung herausgearbeitet.
Zumindest ist in absehbarer Zeit mit einer Klärung der offenen Fragen durch den EuGH zu rechnen. Es gibt inzwischen mehrere Vorlagebeschlüsse.