VVG § 126 Abs. 2
Leitsatz
Auch Klagen auf Quasideckung wegen Verletzung von Beratungspflichten bei Abschluss eines Rechtsschutzversicherungsvertrags sind gegen das Schadenabwicklungsunternehmen des VR zu richten.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Köln, Urt. v. 22.8.2017 – 9 U 3/17
Sachverhalt
Der Kl. begehrt von der Bekl., seinem Rechtsschutzversicherer, der mit der Leistungsbearbeitung in Rechtsschutzfällen die B beauftragt hat, Schadensersatz wegen fehlerhafter Beratung durch deren Vermittler bei Abschluss des Vertrages. Er will nicht bemerkt haben, dass die Bekl. bei seinem Wechsel zu ihr anders als der Vorversicherer Grundstücksrechtsschutz ausgeschlossen hatte. Dadurch seien ihm Schäden bei Inanspruchnahme eines Werkunternehmers entstanden, der für die Entstehung von Rissen in seinem Einfamilienhaus im Jahr 2009 verantwortlich sei.
2 Aus den Gründen:
" … b) bb) Soweit die mit dem Antrag zu 1) geltend gemachten Ansprüche des Kl. nach den vorangegangenen Ausführungen nicht verjährt sind, ist die Klage aber gleichwohl unbegründet, weil es insoweit an der Passivlegitimation der Bekl. fehlt. Der Kl. hätte stattdessen gem. § 126 Abs. 2 VVG das von der Bekl. beauftragte Schadensabwicklungsunternehmen, die B-Rechtsschutz, in Anspruch nehmen müssen."
Ebenso wie das LG geht auch der Senat mit der in Rspr. und Literatur insoweit einhellig vertretenen Ansicht davon aus, dass § 126 Abs. 2 VVG auf den mit der Klageschrift vom 29.12.2015 geltend gemachten Schadensersatzanspruch des Kl. wegen pflichtwidrig unterbliebener Absicherung des Grundstücksrechtsschutzes entsprechend anwendbar ist. Denn dieser ist im Wege der sog. Quasideckung darauf gerichtet, den Kl. so zu stellen, als wenn er pflichtgemäß beraten worden wäre und er eine Grundstücksrechtsschutzversicherung abgeschlossen hätte.
Nach § 126 Abs. 2 VVG können Ansprüche auf die Versicherungsleistung aus einem Vertrag über eine Rechtsschutzversicherung, wenn ein selbstständiges Schadensabwicklungsunternehmen mit der Leistungsbearbeitung beauftragt ist, nur gegen dieses geltend gemacht werden. Gemeint sind dabei die außergerichtliche und die gerichtliche Geltendmachung. Will der VN einen Anspruch auf eine Versicherungsleistung, der ihm gegen den Rechtsschutzversicherer zusteht, gerichtlich geltend machen, ist nur das Schadensabwicklungsunternehmen passivlegitimiert. Eine Klage gegen den Rechtsschutzversicherer ist von Anfang an unbegründet. (…)
§ 126 Abs. 2 S. 1 VVG ist nach der Ansicht in der Literatur und einer landgerichtlichen Entscheidung aber auch dann entsprechend anzuwenden, wenn der VN Schadensersatzansprüche gegen das Schadensabwicklungsunternehmen wegen unberechtigter Versagung des Deckungsschutzes geltend macht (vgl. LG Oldenburg, Urt. v. 7.11.2000, – 8 O 2594/00 – in juris; Staudinger/Halm/Wendt/Brünger, Fachwaltskommentar Versicherungsrecht, 2013, § 126 VVG Rn 10). (…) Begründet wird dies damit, dass § 126 Abs. 2 S. 1 VVG die Vermeidung von Interessenkollisionen bezweckt. (…) Außerdem sollte die noch unter der Geltung von § 8a VAG a.F. – jetzt § 164 VAG n.F. – eingeführte Regelung verhindern, dass der Kompositversicherer – wie hier die Bekl. – an Informationen gelangen kann, die für den VN im Haftpflichtfall nachteilig sein können. Denn nach § 164 Abs. 4 VAG n.F. dürfen die Geschäftsleiter und die Beschäftigten des Schadensabwicklungsunternehmens eines unter § 164 Abs. 1 VAG n.F. fallenden Versicherungsunternehmens (Kompositversicherer) keine Angaben machen, die zu Interessenkollisionen zum Nachteil der Versicherten führen können.
Die Bestimmung des § 126 Abs. 1 VVG steht in engem Zusammenhang mit § 8a VAG a.F. (jetzt § 164 VAG n.F.). Da bis 1.7.1990 in Deutschland für die Rechtsschutzversicherung die sog. Spartentrennung galt, hatte das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen beschlossen, dass ein VR nicht neben anderen Versicherungszweigen auch die Rechtsschutzversicherung betreiben dürfe. Diese Entscheidung beruhte auf der Befürchtung, dass ein Kompositversicherer – also ein VR, der mehrere Versicherungszweige betreibt – in eine Interessenkollision gerate, wenn er als Haftpflichtversicherer des Schädigers Schadensersatzansprüche des Geschädigten ablehne, während er gleichzeitig dem bei ihm rechtsschutzversicherten Geschädigten Rechtsschutz für ein Vorgehen gegen den Schädiger gewähren müsse. Nach Aufhebung des strengen deutschen Spartentrennungsgebots durch die EU-Richtlinie vom 22.6.1987 hat der deutsche Gesetzgeber sich für das darin u.a. vorgesehene Prinzip des ausgegliederten juristisch selbstständigen Schadenbüro entschieden (Harbauer/Bauer, Rechtsschutzversicherung, § 126 VVG Rn 1). Zur Vermeidung der geschilderten Interessenkollisionen hat ein VR, der die Rechtsschutzversicherung zusammen mit anderen Versicherungszweigen betreibt, die Leistungsbearbeitung (Schadenbearbeitung) einem anderen selbstständigen Unternehmen zu übertragen, dem sog. Schadenabwicklungsunternehmen. (…) Eine höchstrichterliche Entscheidung zu der Frage der Geltung von § 126 Abs. 2 VVG auch für Schadensersatzansp...