Ein überwiegender Teil der verkehrsrechtlichen Straftäter, die ein Mandat zur anwaltlichen Strafverteidigung erteilen, sind rechtschutzversichert. Die Einholung und Erteilung der Deckungszusage des Rechtschutzversicherers erfolgt meist unproblematisch, da nach § 2 Ziffer i aa) ARB 2008 (und gleich lautenden Formulierungen in früheren ARB) verkehrsrechtliche Vergehen zum insoweit vom Mandanten eingekauften Straf-Rechtschutz gehören.
Allerdings lauert in § 2 Ziffer i aa) Satz 2 ARB 2008 eine versicherungsrechtliche Falle, die rückwirkend den erteilten Deckungsschutz entfallen lässt, sollte das verkehrsrechtliche Vergehen mit einer Verurteilung als Vorsatztat enden. Im Gegensatz zu anderen Versicherungssparten, etwa der Haftpflichtversicherung, bei denen bereits der Deckungsschutz verweigert wird, weil der behauptete Rechtsverstoß schon den Anschein der Herbeiführung des vorsätzlichen Eintrittes des Versicherungsfalls hat, wird in der (verkehrsrechtlichen) Rechtschutzversicherung auch bei möglichem Vorsatz zunächst Deckung erteilt.
Nun zeigt die Praxis aber, dass bei verkehrsrechtlichen Strafverteidigungen oft das Hauptaugenmerk der Verteidigung auf die schnelle Herbeiführung einer Entscheidung im Strafbefehlsverfahren gelenkt wird, auch um für den Mandaten im Tatsächlichen eine möglichst kurze Zeit des Führerscheinentzugs zu erreichen.
Dabei wird nicht selten übersehen, dass nach wie vor Staats- und Amtsanwaltschaften bei höherer Alkoholkonzentration regelmäßig Vorsatz anklagen bzw. im Strafbefehl Verurteilung wegen Vorsatz beantragen, weil dort die Meinung vorherrscht, dass man etwa bei fast 2 ‰ weiß, dass man nicht mehr fahren darf. Wer dann gegen einen solchen Strafbefehl keinen Einspruch, gegebenenfalls beschränkt auf die Schuldform, einlegt, verliert rückwirkend den Deckungsschutz in der Rechtschutzversicherung und der Verteidiger haftet dem Mandanten möglicherweise deshalb sogar auf Schadenersatz der Verfahrenskosten.
Der vorliegende Praxistext empfiehlt sich daher auch für die Begründung des Einspruchs gegen einen solchen Strafbefehl. Allerdings sollte, falls der wegen einer Trunkenheitsfahrt angeschuldigte Mandant nicht erst nach Erhalt des Strafbefehls einen Anwalt aufsucht, bereits sehr frühzeitig auf die Ermittlungsbehörde argumentativ eingewirkt werden. Verlässt man sich nämlich zu sehr auf die gewünschte Korrektur in der Hauptverhandlung, birgt dies große Risiken, weil etwa Zeugen und der anwesende Gerichtsmediziner u.U. den Vorsatzvorwurf der Anklagevertretung stützen könnten und dann für den Mandanten gerade durch die Hauptverhandlung erhebliche weitere Kosten hinzukommen, welche er selbst wegen des Wegfalls des Deckungsschutzes zu tragen hätte. Erfahrungsgemäß hilft der obige Praxistext in der überwiegenden Anzahl derjenigen Fälle, bei denen wegen der hohen Blutalkoholkonzentration die Verurteilung oder Anklage wegen Vorsatz droht, die Ermittlungsbehörde davon zu überzeugen, im Zweifel für den Angeklagten nur die Beweisbarkeit einer fahrlässigen Tatbestandsverwirklichung als hinreichend anzusehen.