"Der zulässige Ablehnungsantrag der Kl. ist begründet, da die von ihr vorgebrachten Gründe ausreichend sind, um die Besorgnis der Befangenheit gegen den abgelehnten Sachverständigen gem. §§ 406 Abs. 1, 42 ZPO zu rechtfertigen."

Gem. § 406 Abs. 1, S. 1 ZPO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO kann ein Sachverständiger wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Das setzt voraus, dass von dem Standpunkt der ablehnenden Partei aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung besteht, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber. Diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben.

Zwar begründet allein der Vorwurf, dass der Sachverständige einseitig auf der Grundlage des Vorbringens der Bekl. von der Nichtvornahme einer Anästhesie ausgegangen sei, noch nicht die Besorgnis der Befangenheit. Denn das Verfahren der Ablehnung eines Sachverständigen ist nicht dazu bestimmt zu überprüfen, ob seine Beurteilung der beweiserheblichen Fragen, um deren Beantwortung er gebeten worden ist, richtig oder falsch ist oder von unzulänglich ermittelten Anknüpfungstatsachen ausgeht, da insoweit bestehende Fragen oder Vorhalte im Rahmen der Ergänzung oder Erläuterung des Gutachtens gem. § 411 Abs. 3 ZPO zu klären sind.

Der Umstand, dass der Sachverständige im Anschluss an die Untersuchung der Kl. der Bekl. zur Ermittlung der für die Begutachtung relevanten Anknüpfungstatsachen anamnestisch relevante Fragen stellte, ohne dies der Kl. vorher mitzuteilen und ihr Gelegenheit zu geben, an der Befragung teilzunehmen, begründet jedoch die Besorgnis der Befangenheit. Obwohl es grds. nicht Aufgabe des Sachverständigen ist, die für seine Begutachtung erforderlichen Anknüpfungstatsachen selbst zu ermitteln, ist es üblich und häufig auch sachgerecht, wenn der Sachverständige sich die benötigten Daten und Unterlagen von der über die verfügenden Partei selbst verschafft. Verschweigt der Sachverständige allerdings zunächst der einen Partei, dass er sich die für seine Begutachtung wichtigen Elemente von der anderen Partei besorgt hat, so darf auch eine verständige Partei argwöhnen, dass zwischen ihrem Gegner und dem Sachverständigen ein Informationsaustausch stattgefunden hat, dessen Dimension und dessen Inhalt sie nicht zu überblicken vermag, dessen Bedeutung für die Einschätzung der Neutralität des Gutachtens ihr also verschlossen ist (vgl. Saarländisches OLG, Beschl. v. 28.7.2004 – 5 W 88/04, zitiert nach juris). Diese Erwägungen gelten auch für den vorliegenden Fall.

Soweit der Sachverständige in seiner Stellungnahme zum Ablehnungsgesuch vom 4.9.2010 ausführt, dass er dem ablehnenden Wunsch der Kl. zum Kontakt mit der Bekl. Rechnung getragen habe, rechtfertigt dies kein anderes Ergebnis. Denn ohne ausdrücklichen Hinweis des Sachverständigen auf die beabsichtigte Befragung der Bekl. bestand kein hinreichender Anhaltspunkt dafür, die gegenüber dem Sachverständigen erklärte, nachvollziehbare Ablehnung der Kl. bezüglich einer Anwesenheit der Bekl. bei ihrer Untersuchung dahin zu verstehen, dass sie jeglichen Kontakt mit der Bekl. ablehne und auch bei einer anschließenden Befragung nicht anwesend sein wolle. Dass die Kl. generell die Kontaktaufnahme mit der Bekl. abgelehnt hatte, ergibt sich auch nicht aus der Darstellung des Sachverständigen im Gutachten vom 9.7.2010 (vgl. S. 2, erster Abs.). Schließlich konnte – entgegen der Ansicht der Bekl. – die Kl. auch aus dem Wortlaut des Schreibens v. 19.5.2010, durch dessen Kopie auch die Bekl. über den mit der Kl. vereinbarten “Termin zur Untersuchung/Befundaufnahme' unterrichtet worden war, nicht ohne weiteres darauf schließen, dass es im Anschluss an die Untersuchung noch zu einer Befragung der Bekl. kommen werde.“

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Dr. Alexander T. Schäfer, Frankfurt am Main

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