SGB X § 116
Leitsatz
Wenn in einem zwischen einem Haftpflichtversicherer und einem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung geschlossenen Teilungsabkommen auf die "Prüfung des Rechtsübergangs" bzw. den Einwand der mangelnden Übergangsfähigkeit verzichtet wird, erstreckt sich dieser Verzicht grds. auf das Fehlen der für den Regress vorausgesetzten Kongruenz zwischen einzelnen Schadenspositionen und den Versicherungsleistungen sowie auf das Eingreifen des Familienprivilegs. Von der Prüfung des Übergangs des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs ist die Prüfung der Haftungsfrage zu trennen.
BGH, Beschl. v. 20.9.2011 – VI ZR 337/10
Sachverhalt
Die Kl., Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung, begehrt von der Bekl., einem Kfz-Haftpflichtversicherer, gestützt auf das zwischen den Parteien bestehende Teilungsabkommen v. 29.2./23.3.1984 im Wege der Leistungs- und Feststellungsklage Ersatz von 50 % der Aufwendungen, die ihr nach einem Unfall ihrer Versicherten M entstanden sind. Diese sollte wegen einer Hemiparese rechts und Sprachstörungen am 14.9.1998 mit dem Rettungswagen in die Stroke Unit des Bezirksklinikums R transportiert werden. Während der Fahrt kollidierte der Rettungswagen mit einem entgegenkommenden, bei der Bekl. haftpflichtversicherten Pkw. Zwischen den Parteien steht das Alleinverschulden des Pkw-Fahrers außer Streit. M erlitt bei dem Unfall u.a. Wirbelbrüche und Halswirbelquetschungen. Sie wurde mit dem Rettungshubschrauber in die Universitätsklinik R verbracht. Dort kam es in der Nacht vom 15. zum 16.9.1998 zu einer Einblutung in das Gehirn, die einen operativen Eingriff und weitere Behandlungen erforderte und deren Folgen bis heute andauern. Die Kl. hat in einem von M gegen sie geführten Sozialgerichtsverfahren nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die Folgeerscheinungen als Unfallfolge anerkannt. Sie hat für M Sachleistungen (Aufwendungen für Heilbehandlungen) und Barleistungen (Verletztengeld und Renten) erbracht. Die Bekl., die teilweise Ersatz geleistet hat, lehnt darüber hinausgehende Zahlungen mit der Begründung ab, die weiteren Aufwendungen der Kl. seien nicht unfallbedingt.
Die für den Streitfall maßgebenden Regelungen des Teilungsabkommens (im Folgenden: TA) lauten wie folgt:
"§ 1"
Werden von der BG [Berufsgenossenschaft = Kl.] aufgrund von Vorschriften der §§ 116 ff. SGB X Ersatzansprüche gegen eine natürliche oder juristische Person erhoben, die gegen die gesetzliche Haftpflicht aus dem der Forderung zugrunde liegenden Schadensereignis bei dem HV [Haftpflichtversicherer = Bekl.] versichert ist, so verzichtet der HV auf die Prüfung der Haftungsfrage und beteiligt sich nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen an den Aufwendungen der BG. ( … ) Die BG verzichtet ihrerseits auf weiter gehende Forderungen, und zwar auch dann, wenn der Schaden nachweisbar in vollem Umfang durch das Verschulden des Haftpflichtigen verursacht worden ist.
§ 2
Für die Anwendung des Teilungsabkommens gelten die folgenden Voraussetzungen:
5. Im Kfz-Haftpflichtbereich (KH-Schaden) muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Schadensereignis und dem Gebrauch eines Kfz i.S.d. Rspr. des BGH bestehen.
§ 4
12. Von den Barleistungen der BG (Übergangsgeld, Verletztengeld, Renten) werden die ersten DM 10.000,00 … hälftig ohne Rücksicht darauf geteilt, ob die Leistungen zivilrechtlich übergangsfähig sind.
Soweit Leistungen der BG den vorstehenden Betrag von DM 10.000 übersteigen, ist dagegen der Einwand der mangelnden zivilrechtlichen Übergangsfähigkeit zulässig. Die Beweislast obliegt ausschließlich der BG.
13. Hinsichtlich der schadensbedingten Sachleistungen der BG, die der HV nach diesem Abkommen mit 50 % erstattet, ist der Einwand der mangelnden zivilrechtlichen Übergangsfähigkeit zulässig.“
Das LG hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Die Berufung der Bekl. hatte keinen Erfolg. Die Revision hat das OLG nicht zugelassen.
2 Aus den Gründen:
[4] "2. Das BG führt aus, die Bekl. könne mit ihrem Einwand, es fehle an der haftungsausfüllenden Kausalität des Unfalls für die geltend gemachten Aufwendungen, nicht gehört werden, weil sie auf die Prüfung der Haftungsfrage verzichtet habe. Voraussetzung für ihre Haftung sei gem. § 2 Nr. 5 TA lediglich, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Schadensereignis und dem Gebrauch eines Kfz bestehe. Daher komme es nur darauf an, ob ein innerer Zusammenhang zwischen Schadensfall und versichertem Wagnis bestehe. Dafür genüge bereits die Möglichkeit, dass der eingetretene Schaden auf dem versicherten Wagnis beruhe. Das sei hier der Fall. Ein so genannter Groteskfall, bei dem schon aufgrund des unstreitigen Sachverhalts unzweifelhaft und offensichtlich eine Ersatzpflicht des Haftpflichtversicherers gar nicht infrage komme, liege nicht vor. Eine Beschränkung des Verzichts auf die Prüfung der Haftungsfrage, etwa dahin gehend, dass der Sozialversicherungsträger im Zweifel die Ursächlichkeit des fraglichen Schadensfalls für den der Kostenforderung zugrunde liegenden Krankheitsfall nachzuweisen habe, sei hier nicht ...