"… Die Rechtsbeschwerde ist wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs des Betroffenen zuzulassen (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 OWiG). Das Rechtsmittel hat mit der ordnungsgemäß erhobenen Verfahrensrüge in dem tenorierten Umfang einen vorläufigen Erfolg."
Das erstinstanzliche Gericht hat durch die Verwertung des nicht prozessordnungsgemäß eingeführten Lichtbildes gegen § 261 StPO verstoßen und damit auch das rechtliche Gehör des Betroffenen gem. Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.
Der Bußgeldrichter hat in dem angegriffenen Urt. folgende Feststellungen getroffen:
“Am 3.10.2010 um 19.41 Uhr überschritt der Betroffene in K, A 6, Richtung M als Fahrer des Pkw A die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 18 km/h. Zur gleichen Zeit benutzte der Betroffene als Führer seines Kfz verbotswidrig ein Mobiltelefon, in dem er dieses ans linke Ohr hielt und ein Gespräch führte.
Der Sachverhalt steht aufgrund der Einlassung des Betroffenen sowie des in der Akte enthaltenen Lichtbildes fest. … '
Nach den Urteilsgründen beruhen die Feststellungen zur verbotswidrigen Benutzung des Mobiltelefons, die der Betroffene in Abrede stellt, ausschließlich auf dem in der Akte befindlichen Lichtbild. Das AG hat dazu ausgeführt, dass sich aus dem Lichtbild zweifelsfrei entnehmen lasse, dass der Betroffene während der Fahrt ein Gespräch mit seinem Mobiltelefon führe, welches er ans linke Ohr halte.
Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde unter anderem mit der Rüge, dass das von dem Bußgeldrichter aufgeführte Lichtbild zu keinem Zeitpunkt in prozessual ordnungsgemäßer Form zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden sei, weshalb weder Anlass noch eine Möglichkeit bestanden hätte, zu dem in Rede stehenden Lichtbild Stellung zu nehmen.
Die Rüge ist begründet. Das verwendete Lichtbild war nicht Gegenstand der Hauptverhandlung. Dies belegt das Sitzungsprotokoll des AG. Die Beweisaufnahme wurde zwar eröffnet, nach Aufruf und Entlassung des geladenen Zeugen und nachdem keine Beweis- oder Beweisermittlungsanträge gestellt wurden, ohne weitere Feststellungen wieder geschlossen. An keiner Stelle des Protokolls ist die Inaugenscheinnahme des Lichtbildes aufgeführt. Dass das Lichtbild in anderer Form in die Hauptverhandlung eingeführt wurde, ist auszuschließen. Dennoch wurde es im Urt. zum Nachteil des Beschwerdeführers verwertet, der das Telefonieren während der Fahrt ausdrücklich bestritt. Der Bußgeldrichter hat demnach seine Überzeugung nicht ausschließlich aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung gewonnen und damit gegen § 261 StPO verstoßen. Gründet das Gericht seine Überzeugung aber auf Tatsachen, die nicht Gegenstand der Hauptverhandlung waren, zu denen sich also der Betroffene dem erkennenden Gericht gegenüber nicht abschließend äußern konnte, so verstößt das Verfahren nicht nur gegen § 261 StPO, sondern zugleich auch gegen den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG. Der Verfahrensmangel würde, wie keiner näheren Ausführungen bedarf, einer Verfassungsbeschwerde daher zum Erfolg verhelfen (vgl. BGH 2. Strafsenat, Urt. v. 13.12.1967 – 2 StR 544/67 unter Hinweis auf BVerfGE 19, 198, 200, 201, zitiert nach juris).
Das angefochtene Urt. kann daher, soweit der Beschwerdeführer wegen verbotswidriger Benutzung eines Mobiltelephons zu einer Geldbuße verurteilt wurde, im Schuldspruch sowie im Rechtsfolgenausspruch insgesamt keinen Bestand haben.
Die Zurückverweisung der Sache erfolgt abweichend von § 354 Abs. 2 StPO gem. § 79 Abs. 6 OWG an das AG, so dass erneut der bisher im ersten Rechtszug amtierende Richter entscheiden kann. Wegen der andersartigen und weniger bedeutsamen Rechtsfolgen, um die es im Bußgeldverfahren geht, ist es nicht notwendig, dass der Betroffene nach Aufhebung der Entscheidung die Überprüfung durch einen anderen Tatrichter erreicht, wie dies im Strafverfahren der Fall ist (Göhler/Seitz, OWiG, 15. Aufl., § 79 Rn 48).
Für das weitere Verfahren ist auf folgendes hinzuweisen:
Die verbotswidrige Benutzung eines Mobiltelefons während der Fahrt kann regelmäßig nur vorsätzlich begangen werden. Denn es ist nahezu unmöglich, ein Telefon fahrlässig in der Hand zu halten und zu telefonieren bzw. es anderweitig zu benutzen. Selbst wenn eine solche Konstellation theoretisch denkbar wäre, liegt dem Regelfall des § 23 Abs. 1a StVO ausschließlich eine vorsätzliche Begehung zugrunde (vgl. Thüringer Oberlandesgericht 1. Strafsenat, Beschl. v. 6.9.2004 – 1 Ss 138/04 [= zfs 2005, 207]; KG Berlin, Beschl. v. 30.11.2005 – 2 Ss 272/05-3 Ws (B) 600/05, jeweils zitiert nach juris).
Nach § 19 Abs. 1 OWiG wird nur eine Geldbuße festgesetzt, soweit dieselbe Handlung mehrere Gesetze, nach denen sie als Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann, verletzt. In diesem Fall wird die Geldbuße gem. § 19 Abs. 2 OWiG nach dem Gesetz bestimmt, das die höchste Geldbuße androht. Eine Addition der einzelnen Geldbußen sieht das Gesetz bei der Annahme einer Tateinheit nicht vor (vgl. Göhler/Gürtler, OWiG, 15. Aufl., § 19 Rn 5). …“