1) Der Integritätszuschlag von 30 % auf den Wiederbeschaffungswert wird dem Geschädigten dann zugebilligt, wenn er Reparaturkosten bis zu 130 % des Wiederbeschaffungswertes aufwendet, um den beschädigten Pkw entsprechend den Vorgaben des Sachverständigen zu reparieren (vgl. BGH zfs 1992, 8 f.). Seine Rechtfertigung findet diese für den Geschädigten günstige Form der Abrechnung seines Schadens allein darin, dass er damit sein Integritätsinteresse bezüglich des ihm vertrauten Kfz verfolgt. Der BGH hielt allerdings fest, dass die 130 %-Grenze keine starre Grenze sei, sondern auch ohne Verweisung des Geschädigten auf die ihm deutlich ungünstigere Möglichkeit der Abrechnung auf Totalschadensbasis (Differenz von Wiederbeschaffungswert und Restwert) anwendbar sei, damit trotz geringfügiger Überschreitung der 130 % durch die kalkulierten Reparaturkosten eine Abrechnung auf der Grundlage der Reparaturkosten möglich sei (vgl. BGH NJW 1992, 302, 305; Weber, DAR 1991, 12).
2) Maßgeblich für die Erhaltung der Abrechnungsmöglichkeit bis zur 130 %-Genze ist der Ansatz des Sachverständigen hinsichtlich des Reparaturweges, nicht dagegen die von dem Sachverständigen geschätzte Höhe der erforderlichen Reparaturkosten. Gelingt es dem Geschädigten durch den Einsatz von Gebrauchtteilen unter Beachtung des von dem Sachverständigen vorgeschriebenen Reparaturumfangs die Reparaturkosten unter die 130 %-Grenze zu "drücken", erhält sich der Geschädigte die Möglichkeit, auf der Grundlage der angefallenen Reparaturkosten abzurechnen. Die Kostenschätzung des Sachverständigen hat sich als unzutreffend erwiesen, sodass dem zutreffenden Ansatz der nunmehr feststehenden Höhe der Reparaturkosten Rechnung zu tragen ist (vgl. BGH zfs 2011, 144). Soweit dagegen eingewandt wird, es sei zweifelhaft, ob damit die allgemeine Verkehrssicherheit gefördert werde, ist entgegen zu halten, dass dieses Ziel nicht Aufgabe der auf Ausgleich gerichteten Schadensberechnung ist. Im Übrigen entspricht die Verwendung von Gebrauchtteilen früheren Empfehlungen der Haftpflichtversicherer, die damit den Aufwand für die Reparatur gering halten wollten (vgl. zu diesen Einwänden Lemcke, r+s 2011, 222 f.; ders., NZV 2009, 115 f.). Der BGH verteidigt allerdings die Versagung der Abrechnung auf der Grundlage der 130 %-Grenze, wenn es dem Geschädigten gelungen ist, eine Rabattgewährung auf die Reparaturkosten zu erreichen, die den von der Werkstatt in Rechnung gestellten Betrag unter den Betrag von 130 % des Wiederbeschaffungswertes drückt. In dieser Fallgruppe wird der Geschädigte auf eine Abrechnung auf Totalschadensbasis verwiesen (vgl. BGH NZV 2011, 335). Überzeugend ist das nicht: In beiden Fällen gelingt es dem Geschädigten, durch eine lobenswerte überobligatorische Anstrengung den Schadensbehebungsaufwand gering zu halten. Da die 130 %-Grenze ohnehin keinen starren Charakter hat, sollte auch diese Anstrengung des Geschädigten prämiert werden; die Verteidigung der 130 %-Grenze gegen Verhandlungsmöglichkeiten über die Höhe der Reparaturkosten zwischen Werkstatt und Geschädigtem erscheint jedenfalls nicht sinnvoll.
RiOLG a.D. Heinz Diehl, Neu-Isenburg