"Der Anspruch des Kl. gegen die Bekl. richtet sich nach Ziffer A.2.8.1b AKB und damit dem Passus der “erforderlichen Kosten einer vollständigen Reparatur’. Die AKB sind AGB des VR. Dieser Charakter der Versicherungsbedingungen bestimmt die bei ihrer Auslegung anzuwendenden Maßstäbe. Nach der gefestigten Rspr. des BGH sind AVB so auszulegen, wie ein durchschnittlicher VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss (BGHZ 123, 83 m.w.N. = NJW 1993, 2369). …"
Nach diesen Maßstäben musste ein durchschnittlicher VN die Bedingungen so verstehen, dass er auch bei fiktiver Abrechnung die Kosten einer Markenfachwerkstatt beanspruchen darf. Der durchschnittliche VN muss, nicht zuletzt wegen der weithin bekannten, gefestigten und langjährigen Rspr. des BGH in Schadensersatzfragen, unter “vollständiger Reparatur’ eine solche in der für sein Fahrzeug maßgeblichen Markenfachwerkstatt verstehen. Wenn der BGH den Begriff des “zur Herstellung erforderlichen Geldbetrages’ (§ 249 Abs. 2 BGB) an den Maßstäben einer Markenfachwerkstatt orientiert, ist jedenfalls für den durchschnittlichen VN nicht ersichtlich, dass im Kaskovertrag bei Verwendung der gleichen Begrifflichkeit anderes gelten soll. Dies gilt erst recht angesichts der Tatsache, dass eine Reihe von Kaskoversicherern sog. Select-Verträge anbieten, die ein Weisungsrecht des VR im Hinblick auf die mit der Reparatur auszuwählende Werkstatt beinhalten; ein Vorgehen, dass offenbar im Standardtarif nicht erzwungen werden können soll.
Daran ändert nichts, dass die Ziffer A.2.8.1a im Gegensatz zu Ziffer A.2.8.1b auf eine “vollständige und fachgerechte’ Reparatur abstellt. Es erschließt sich dem durchschnittlichen VN nicht, wo der Unterschied zwischen einer vollständigen und einer vollständigen und fachgerechten Reparatur liegt. Insoweit gehen die Unklarheiten in den Versicherungsbedingungen zu Lasten des Verwenders, der Bekl., § 305c Abs. 2 BGB. Die Absätze lit. a und lit. b der Ziffer A.2.8.1 AKB verlieren durch das gleiche Verständnis der Begrifflichkeiten auch nicht ihren Anwendungsbereich, denn bei Vorlage einer Rechnung (lit. a) gilt eine andere Entschädigungshöchstgrenze als ohne Rechnung (lit. b), so dass bei tatsächlicher Reparatur dem Integritätsinteresse höheres Gewicht beigemessen wird.
Auch die Rücksichtnahmepflicht auf die Interessen des Vertragspartners rechtfertigt keine andere Auslegung der Klausel A.2.8.1b AKB. Rücksichtnahmepflichten sind keine Einbahnstraße. Neben der Pflicht zur Geringhaltung des Schadens ist zu Lasten des VR auch das Integritätsinteresse des VN zu berücksichtigen.
Hinzu kommt, dass die Ziffer A.2.8.1 AKB im Obersatz einheitlich von den “erforderlichen Kosten’ spricht und im Folgenden lediglich zwei verschiedene Obergrenzen für konkrete und fiktive Abrechnung (lit. a und b) statuieren will. Die “erforderlichen Kosten’ sind danach für beide Absätze nach den gleichen Maßstäben zu bestimmen. …
Der VR muss nach den AKB allerdings nicht in jedem Fall nach den Maßstäben einer Markenfachwerkstatt entschädigen. Nach Ziffer E.1.4 AKB hat er ein Weisungsrecht im Bereich der Schadensminderung. Ob dieses Recht auch beinhaltet, den VN auf eine Reparatur in einer nicht markengebundenen Fachwerkstatt zu verweisen, kann vorliegend offen bleiben, denn jedenfalls wäre eine solche Verweisung vorliegend unzumutbar und damit nach Ziffer E.1.4 S. 2 AKB unzulässig. Die Zumutbarkeit ist nach Auffassung der Kammer an der interessengemäß ausgewogenen Rspr. des BGH in Schadensersatzfällen, hier insb. im Recht der Verweisung auf einen nicht markengebundene Fachwerkstatt zu orientieren. Danach ist einen Verweisung dann unzulässig, wenn das Fahrzeug weniger als drei Jahre alt ist oder – wie vorliegend – in der Vergangenheit immer in einer Markenfachwerkstatt vorgestellt worden ist. In diesen Fällen ist dem Integritätsinteresse des VN der Vorrang einzuräumen. …
zfs 3/2014, S. 156 - 157