" … Das LG hat zutreffend angenommen, dass ein Anspruch der Kl. auf Erstattung des ihr entstandenen Schadens aus § 1 HaftPflG nach § 1 Abs. 2 HPflG ausgeschlossen ist, weil der Unfall durch höhere Gewalt verursacht worden ist. Die Kl. stellt in den Mittelpunkt ihrer Berufungsbegründung, dass ein Unfall wie der vorliegende nicht unvorhersehbar und das Ablegen von Gegenständen auf Schienen durch Dritte nicht so ungewöhnlich sei, dass es Ausnahmecharakter wie ein elementares Ereignis oder ein Schicksalsschlag habe. Vielmehr sei es nicht fernliegend, dass Dritte Hindernisse auf Gleise legen."

Die Kl. verkennt, dass es bei der Prüfung, ob “höhere Gewalt’ Ursache des Unfalls ist, nicht auf die allgemeine, abstrakte Vorhersehbarkeit solcher Ereignisse, sondern auf die Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit des konkreten Unfalls ankommt. Denn nach der in st. Rspr. schon des Reichsgerichts und des BGH verwendeten Begriffsbestimmung ist “höhere Gewalt’ ein “betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch äußerste, nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit vom Betriebsunternehmen in Kauf zu nehmen ist’ (zuletzt BGH NJW-RR 2004, 959 unter II. 4.). Danach sind Naturkräfte oder Handlungen Dritter dann höhere Gewalt, wenn sie nach der menschlichen Erfahrung unvorhersehbar sind und auch nicht durch äußerste Sorgfalt verhindert werden können. Würde man die Vorhersehbarkeit auf eine Klasse von Ursachen im Allgemeinen beziehen (etwa Steinschläge, Unwetter oder Sabotageakte Dritter) wäre für diese generell höhere Gewalt zu verneinen, ohne dass es auf die konkrete Vermeidbarkeit ankäme.

Das zweite, kumulativ erforderliche Merkmal wäre überflüssig, weil Ereignisse, die noch nicht einmal abstrakt vorausgesehen werden können, nie durch äußerste Sorgfalt vermeidbar sind. Das zeigt, dass die Betrachtung der Vorhersehbarkeit die konkrete Ursache in den Blick nehmen muss.

Ist – wovon hier auszugehen ist – ein Fahrrad von unbekannten Personen auf die Schienen gelegt worden, beruht bei der anzustellenden konkreten Betrachtung der dadurch verursachte Unfall auf “höherer Gewalt’, sofern die dadurch geschaffene Gefahr nicht ausnahmsweise rechtzeitig hätte bemerkt und beseitigt werden können. Zwar ist mit Sabotageakten durch Dritte im Bereich von Bahngleisen nach der Lebenserfahrung zu rechnen, so dass sie im Allgemeinen nicht unvorhersehbar sind. Völlig ungewiss ist jedoch, an welchem Ort und zu welcher Zeit sie auftreten. Der konkrete Sabotageakt ist in diesem Sinne nicht vorhersehbar. Er kann deshalb auch nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden. Denn dies würde entweder eine ständige lückenlose Kontrolle sämtlicher Bahnstrecken oder eine vollständige Einhegung (Einzäunung) aller Gleistrassen erfordern. Beides kann einem Eisenbahnstrukturunternehmen wegen der kaum übersehbaren Kosten zweifelsfrei nicht zugemutet werden. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass sich das Hindernis hier auf einem Gleisabschnitt ereignet hat, der zwischen zwei nur etwa 5 km entfernten Ortschaften in übersichtlichem, auch besiedeltem Gebiet verläuft. Die Einzäunung von Gleisen könnte allenfalls innerhalb eines geschlossenen und bewohnten Ortsgebiets als zumutbar angesehen werden, nicht aber in freiem Gelände.

Dieses Verständnis des von der Rechtsprechungstradition geprägten Begriffs “höhere Gewalt’ steht nicht in Widerspruch zu den von der Kl. herangezogenen Entscheidungen anderer Gerichte. Dass der BGH in der bereits genannten Entscheidung BGH NJW-RR 2004, 959 einen in der Nacht aus einer Felswand herausgebrochenen Felsbrocken nicht als höhere Gewalt angesehen hat, beruht darauf, dass dies “weder außergewöhnlich noch unabwendbar’ war, weil sich “aus einer steilen Felswand durch Witterungseinflüsse und infolge des Durchdringens mit Baumwurzeln Felsbrocken ablösen und so auf die Schienentrasse gelangen können’ (BGH a.a.O. unter II. 4.) und die Gefahr durch regelmäßige Kontrolle der Strecken vermieden werden kann. In den von der Kl. angeführten Urteilen, in denen die Ablage von Gegenständen auf den Schienen nicht als höhere Gewalt angesehen wurde, bestand die Besonderheit, dass es sich um Gegenstände handelte, die von der Streckenverwaltung oder beauftragten Bauarbeitern neben den Gleisen liegen gelassen worden waren (OLG Oldenburg NJW-RR 2007, 510: neben den Gleisen ohne Sicherungsmaßnahme gelagerte Gleisschraubmaschine; LG Erfurt NJW-RR 2010, 37: liegen gelassenes Schienenstück). In diesen Fällen war die Sabotagehandlung als solche zwar trotz zumutbarer Sorgfalt des Gleisbetreibers unvermeidbar, aber hinsichtlich des Ortes individuell vorhersehbar. Soweit schließlich Gerichte das Umstürzen eines Baumes bei einem ungewöhnlichen starken ...

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