GKG § 66; GKG KV Nr. 9007; RVG § 55
Leitsatz
1. Das Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren nach § 66 Abs. 2 GKG n.F. gegen den Kostenansatz ist allein wegen einer Verletzung des Kostenrechts statthaft. Die Rüge der ungenügenden Einsatzbereitschaft eines Pflichtverteidigers betrifft stattdessen die Anspruchsberechtigung des Rechtsanwalts dem Grunde nach; damit kann ein Beschwerdeführer in diesem Rechtsbehelfsverfahren nicht gehört werden.
2. Es darf auch nicht geprüft werden, ob die Anordnung, welche die Auslagen verursacht hat – hier die Aufrechterhaltung der Pflichtverteidigerbestellung durch die Zurückweisung des entsprechenden Entpflichtungsantrags – rechtsfehlerfrei gewesen ist. Hierfür ist ein eigenständiges Anfechtungsverfahren (Beschwerde gem. § 304 StPO) eröffnet.
3. Eine Entlastung des Angekl. von den Kosten einer durch prozessuale Vorsorge veranlassten zusätzlichen Pflichtverteidigung sieht das Gesetz auch dann nicht vor, wenn er sich ausdrücklich gegen eine solche Maßnahme stellt.
OLG Dresden, Beschl. v. 19.9.2013 – 2 Ws 445/12
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin ist durch Urt. des LG Leipzig v. 26.3.2009, rechtskräftig und kostenpflichtig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden.
In dem zugrundeliegenden Verfahren hatte der Vorsitzende der nach Anklageerhebung für die Hauptsache zuständigen Wirtschaftsstrafkammer mit Verfügung v. 3.1.2005 der Beschwerdeführerin Rechtsanwalt B. als Pflichtverteidiger beigeordnet. Kurz vor Beginn der Hauptverhandlung im Jahre 2007 erteilte die Beschwerdeführerin zusätzlich ihrem Wahlverteidiger, Rechtsanwalt S., das Mandat. Ihren anschließend zu Beginn der Hauptverhandlung gestellten Antrag, den Pflichtverteidiger B. nunmehr zu entpflichten, wies der Kammervorsitzende jedoch aus Gründen der Verfahrenssicherung zurück. Diese Entscheidung wurde nicht angefochten.
Nach rechtskräftigem Abschluss Verfahrens setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des LG die Vergütung des Pflichtverteidigers auf insg. 26.197,56 EUR fest. Diesen Betrag hat der Kostenbeamte in dem angefochtenen Gerichtskostenansatz gegen die Beschwerdeführerin angesetzt. Die dagegen von der Beschwerdeführerin eingelegte Erinnerung, die keine inhaltlich sachbezogenen Ausführungen enthielt, hat das LG zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung des LG hat die Beschwerdeführerin Beschwerde eingelegt und hierzu u.a. vorgetragen: sie sei zwar zunächst mit der Bestellung von Rechtsanwalt B. zu ihrem Pflichtverteidiger einverstanden gewesen zu sein; ihren nach Beauftragung eines Wahlverteidigers (Rechtsanwalt S.) gestellten Antrag auf Entpflichtung des Pflichtverteidigers habe der Kammervorsitzende aber zu Unrecht zurückgewiesen. Im Übrigen habe der Pflichtverteidiger während der gesamten Hauptverhandlung im Wesentlichen "keinerlei Handlungen vollzogen", die ihrer Verteidigung dienlich gewesen seien. Sinngemäß machte sie weiter geltend, Rechtsanwalt B. habe aufgrund der Art seiner Verteidigung seinen Anspruch auf Gebühren verwirkt.
2 Aus den Gründen
" … II. Die gem. § 66 Abs. 2 GKG n.F. statthafte Beschwerde ist unbegründet."
Soweit die Verurteilte sinngemäß vorträgt, Rechtsanwalt B. habe aufgrund seiner ungenügenden Einsatzbereitschaft für die Verteidigung seinen Gebührenanspruch verwirkt, ist dieses Vorbringen im Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren gegen den Kostenansatz nicht zu berücksichtigen. Dieses Rechtsbehelfsverfahren ist allein wegen einer Verletzung des Kostenrechts statthaft. Die Verurteilte rügt mit ihrem Vortrag zur ungenügenden Einsatzbereitschaft des Pflichtverteidigers aber nicht die kostenmäßige Richtigkeit der in Ansatz gebrachten Beträge, sondern wendet sich gegen die Anspruchsberechtigung des Rechtsanwalts dem Grunde nach. Damit kann sie jedoch nicht gehört werden.
Im Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren darf auch nicht geprüft werden, ob die Anordnung, welche die Auslagen verursacht hat – hier die Aufrechterhaltung der Pflichtverteidigerbestellung von Rechtsanwalt B. durch die Zurückweisung des Entpflichtungsantrags durch den Kammervorsitzenden – rechtsfehlerfrei gewesen ist. Hierfür wäre ein eigenständiges Anfechtungsverfahren (Beschwerde gem. § 304 StPO) eröffnet gewesen, welches die – durch Rechtsanwalt S. wahlverteidigte – Verurteilte allerdings nicht wahrnahm.
Ergänzend ist anzumerken, dass die Aufrechterhaltung der Beiordnung eines Pflichtverteidigers zusätzlich zu der bereits bestehenden Wahlverteidigung eines Verurteilten ihren Grund darin hatte, die Hauptverhandlung gegen einen möglichen Ausfall des Wahlverteidigers abzusichern. Auch wenn eine solche Verfahrensweise in der Strafprozessordnung nicht vorgesehen ist, so ist sie doch zulässig und sogar geboten, wenn anders der zügige Fortgang des Verfahrens und vor allem der Hauptverhandlung nicht gesichert werden kann. Nur so kann auch dem Beschleunigungsgebot im Strafverfahren, das nicht zuletzt die Interessen eines Angekl. im Auge hat, Genüge getan werden (vgl. BVerfGE 39, 238; 63, 45; BVerfG NStZ 1984, 561; BGHSt 15, 306, 309; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 141 Rn 2; § 143 Rn...