BGB § 249 Abs. 2
Leitsatz
Lässt der Geschädigte einen Kraftfahrzeugsachschaden sach- und fachgerecht in dem Umfang reparieren, den der eingeschaltete Sachverständige für notwendig gehalten hat, und unterschreiten die von der beauftragten Werkstatt berechneten Reparaturkosten die von dem Sachverständigen angesetzten Kosten, so beläuft sich auch im Rahmen einer fiktiven Abrechnung der zur Herstellung erforderliche Geldbetrag auf die tatsächlich angefallenen Bruttokosten. Der Geschädigte hat in diesem Fall keinen Anspruch auf Zahlung des vom Sachverständigen angesetzten Nettobetrags zuzüglich der tatsächlich gezahlten Umsatzsteuer, soweit dieser Betrag die tatsächlich gezahlten Bruttoreparaturkosten übersteigt.
BGH, Urt. v. 3.12.2013 – VI ZR 24/13
Sachverhalt
Der beklagte Haftpflichtversicherer hat dem Kl. den bei einem Verkehrsunfall entstandenen Schaden zu ersetzen. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens, in dem die Reparaturkosten auf brutto 8.346,72 EUR (netto 7.014,05 EUR) beziffert wurden, ließ der Kl. sein Fahrzeug auf der Grundlage des Gutachtens in einer Reparaturwerkstatt entsprechend den Vorgaben des Sachverständigengutachtens sach- und fachgerecht instand setzen. Die Werkstatt stellte dem Kl. Reparaturkosten von brutto 7.492,22 EUR (netto 6.295,98 EUR) in Rechnung. Der Kl. rechnete den Schaden gegenüber der Bekl. auf der Grundlage des Gutachtens ab. Der beklagte Haftpflichtversicherer regulierte den Schaden jedoch unter Zugrundelegung der niedrigen tatsächlich aufgewendeten Reparaturkosten von 7.492,22 EUR. Der Kl. hat mit der Klage den nach seiner Ansicht offen stehenden Betrag von 718,07 EUR gefordert. Diesen hat er unter Zugrundelegung des vom Gutachter zugrunde gelegten Nettoreparaturaufwands von 7.014,05 EUR zzgl. der von ihm tatsächlich für die Instandsetzung gezahlten Mehrwertsteuer von 1.196,24 EUR, abzgl. der von der Bekl. gezahlten Reparaturkosten errechnet. AG und LG haben der Klage stattgegeben. Die vom BG zugelassene Berufung führte zur Abweisung der Klage.
2 Aus den Gründen:
[8] "… Nach der Rspr. des erkennenden Senats ist bei der fiktiven Abrechnung eines Kraftfahrzeugsachschadens von folgenden Grundsätzen auszugehen."
[9] Der Geschädigte darf, sofern die Voraussetzungen für eine fiktive Schadensberechnung vorliegen, dieser grds. die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Nach der Rspr. des erkennenden Senats besteht grds. ein Anspruch des Geschädigten auf Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten unabhängig davon, ob der Geschädigte den Wagen tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt. Allerdings ist unter Umständen – auch noch im Rechtsstreit – ein Verweis des Schädigers auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen anderen markengebundenen oder “freien’ Fachwerkstatt möglich, wenn der Schädiger darlegt und ggf. beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und der Geschädigte keine Umstände aufzeigt, die ihm eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen (Senatsurt. v. 23.3.1976 – VI ZR 41/74, BGHZ 66, 239, 241; v. 29.4.2003 – VI ZR 398/02, BGHZ 155, 1, 3 f. – Porsche-Urteil; v. 20.10.2009 – VI ZR 53/09, BGHZ 183, 21 Rn 7 ff. – VW-Urteil; v. 23.2.2010 – VI ZR 91/09, VersR 2010, 923 Rn 9, 11 – BMW-Urteil; v. 22.6.2010 – VI ZR 302/08, VersR 2010, 1096 Rn 6 f. – Audi-Quattro-Urteil; v. 22.6.2010 – VI ZR 337/09, VersR 2010, 1097 Rn 6 f. – Mercedes-A 170-Urteil; v. 13.7.2010 – VI ZR 259/09, VersR 2010, 1380 Rn 5 ff. – Mercedes-A 140-Urteil; v. 14.5.2013 – VI ZR 320/12, VersR 2013, 876 Rn 8).
[10] 2. Die Verweisung des Schädigers auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit lässt der erkennende Senat deshalb zu, weil die Angaben des Sachverständigen in seinem Gutachten zur Höhe der voraussichtlich anfallenden Reparaturkosten keinesfalls stets verbindlich den Geldbetrag bestimmen, der i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zur Herstellung erforderlich ist. Bei fiktiver Abrechnung ist der objektiv zur Herstellung erforderliche Betrag ohne Bezug zu tatsächlich getätigten Aufwendungen zu ermitteln. Der Geschädigte, der nicht verpflichtet ist, zu den von ihm tatsächlich veranlassten oder auch nicht veranlassten Herstellungsmaßnahmen konkret vorzutragen, disponiert hier dahin, dass er sich mit einer Abrechnung auf einer objektiven Grundlage zufrieden gibt. Hinweise der Schädigerseite auf Referenzwerkstätten dienen dazu, der Behauptung des Geschädigten entgegenzutreten, der vom Sachverständigen ermittelte Betrag gebe den zur Herstellung erforderlichen Betrag zutreffend wieder (vgl. Senatsurt. v. 14.5.2013 – VI ZR 320/12, VersR 2013, 876 Rn 11). Kann die Schädigerseite die zumutbare Möglichkeit der Inanspruchnahme einer preiswerteren Werkstatt ausreichend darlegen und ...