Der Geschädigte hat gegen den Schädiger und dessen Versicherer bei voller Haftung einen Anspruch auf vollständigen Ausgleich der erforderlichen Sachverständigengebühren. Dieser Anspruch bleibt auch dann bestehen, wenn die Gebühren überhöht sind.

Erst wenn der Versicherer nachgewiesen hat, dass der Geschädigte schuldhaft gegen seine Schadenminderungspflicht verstoßen hat, ist er ihm gegenüber zu einer Kürzung der Sachverständigengebühren berechtigt.

Dieser Nachweis wird in aller Regel nicht geführt. Es ist auffällig, dass die Kürzungen nicht auf Einzelfälle beschränkt sind, in denen objektiv überhöhte Gebühren verlangt werden, sondern auf die Masse abzielen.

Von den Kürzungen waren zum Beispiel auch Sachverständigengebühren betroffen, deren Höhe den Ergebnissen der Mitgliederbefragungen des BVSK entsprach.

Die kürzenden Versicherer versetzten sich damit nicht in die Lage des Geschädigten, sondern sie argumentieren aus ihrer eigenen Sicht. Damit distanzieren sie sich von der Rechtsprechung des BGH, nach der eine subjektbezogene, die individuelle Situation des Geschädigten berücksichtigende Schadensbetrachtung zu erfolgen hat.[34]

Die kürzenden Versicherer halten die aktuellen Sachverständigengebühren im Durchschnitt für zu hoch, befürchten gleichzeitig eine Steigerung in der Zukunft und versuchen, dem mit ihrer Regulierungspraxis vorzubeugen. Die massenhaften Kürzungen dürften zu spürbaren Einsparungen bei den Aufwendungen für Sachverständigenkosten führen.

Die Vorgehensweise, die Sachverständigengebühren massenhaft zu kürzen und den Geschädigten nicht zugleich einen Verstoß gegen ihre Schadenminderungspflicht nachzuweisen, ist unvereinbar mit der herrschenden Meinung und der Rechtsprechung des BGH. Das verständliche Ziel der Versicherungswirtschaft, die Schadenaufwendungen so gering wie möglich zu halten, darf nicht auf Kosten der Geschädigten und der Justiz, die eine Vielzahl dieser Fälle zu entscheiden hat, verfolgt werden.

Erst wenn unabhängige Erhebungen bestätigen sollten, dass die Sachverständigen tatsächlich systematisch überhöhte Gebühren abrechnen, was bisher nicht der Fall ist, wäre zu überlegen, ob eine Gebührenordnung durch den Gesetzgeber Abhilfe schaffen könnte.

Autor: RA Dr. Thomas Schulz , FA für Versicherungsrecht, Garbsen

zfs 3/2015, S. 131 - 136

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