Im Fall zulässiger Ersatzbeschaffung kann der Geschädigte von dem Schädiger den Wiederbeschaffungswert Zug um Zug gegen Herausgabe des beschädigten Unfallwagens verlangen. Trifft ihn eine Mitverantwortung für den Schadensfall, kann er den Wiederbeschaffungswert sowie Zustimmung zu einer von ihm beabsichtigten, wirtschaftlichen Verwertung verlangen, Zug um Zug gegen Einräumung von Miteigentum an dem Unfallwagen (bis zur Erfüllung des Verwertungsgeschäfts).
Die dargestellte Lösung mag dem Geschädigten Anlass geben, die Andienung des Unfallwagens häufiger in Betracht zu ziehen als derzeit praktiziert. Das gilt im Grundsatz auch für die – höchstrichterlich allerdings noch nicht geklärten – Fälle der Mitverantwortlichkeit. Freilich erscheint eine Verwertungsgemeinschaft von Schädiger und Geschädigtem auf den ersten Blick kompliziert und unflexibel. Der Geschädigte unterwirft sich z.B. wegen einer etwaigen Weiterbenutzung des Fahrzeugs bis zur Verwertung der Mitbestimmung des Schädigers, und der Schädiger muss, wenn er Miteigentum beansprucht, auch sein Miteigentümerrisiko – z.B. eine Störerverantwortung – absichern. Auch wird der Abschluss und Vollzug des Verwertungsgeschäfts durch mehrere Beteiligte auf Veräußererseite nicht einfacher. Der Geschädigte muss diese sperrige Konstruktion allerdings kaum fürchten. Denn viel spricht dafür, dass ihm der Schädiger ein praktikables und auf eine optimale Verwertung ausgerichtetes Schadensmanagement anbieten wird. Die Gemeinschaft ist von der Interessengleichrichtung der Teilhaber geprägt. Der in die Verwertungsverantwortung eingebundene Schädiger hat ein originäres eigenes Interesse an einer möglichst günstigen Verwertung. Die Kfz-Haftpflichtversicherung verfügt über einschlägige Markt- und Fachkenntnisse und steht gegenüber ihren Beitragszahlern mindestens in einer moralischen, gegenüber ihren Anteilseignern sogar in einer rechtlichen Pflicht zur sparsamen Schadensregulierung. Deshalb muss sie sich ganz maßgeblich bemühen, zum Gelingen der Verwertung beizutragen.
Der Aufbau eines eigenen Verwertungsmanagements wird für die Kfz-Haftpflichtversicherung – und ihre Beitragszahler – mit Kosten verbunden sein. Allerdings bietet ein geeignetes Schadensmanagement auch Chancen im beiderseitigen Interesse. So kann die Versicherung etwa für die Inanspruchnahme besonders günstiger Angebote überregional tätiger Restwertaufkäufer sorgen, die der Geschädigte im Rahmen seiner allgemeinen Schadensminderungspflicht nach § 254 BGB nicht annehmen müsste. Bietet der Versicherer im Rahmen einer bestehenden Verwertungsgemeinschaft beispielsweise die Übernahme der Abwicklung eines solchen Geschäfts an, wird sich der Geschädigte kaum dagegen verwahren können. Auch dürfte es den Geschädigten im Rahmen einer Verwertungsgemeinschaft und der mit ihr verbundenen Pflichtenstellung regelmäßig nicht überfordern, wenn der Schädiger ihn um Lichtbilder seines Fahrzeugs für die Einstellung in eine Restwertbörse bittet. Die Versicherung wäre dann nicht auf die Nutzung der Fotos des Sachverständigen angewiesen.
Im Ausgangsfall hätte G danach die Zustimmung zu einer Verwertung bei dem günstigsten für ihn erreichbaren Anbieter verlangt. H hätte zum einen versuchen können, in einer Restwertbörse unter Verwendung von Fotos des G ein günstigeres Angebot zu erzielen. Zum anderen hätte H selbst versuchen können, A zu erreichen und den Vertrag mit Zustimmung des G abzuschließen. Sollten sich bei der Vertragsabwicklung Schwierigkeiten ergeben, stünde G nicht allein, sondern hätte mit H eine rechtskundige und finanzkräftige Versicherung an seiner Seite.
Autor: RiLG Dr. Christoph Lafontaine , Saarbrücken
zfs 3/2015, S. 125 - 131