ZPO § 91 Abs. 1 S. 1; VV RVG Nr. 3400
Leitsatz
1. Die Kosten für einen Verkehrsanwalt sind im Revisionsverfahren nur bei Vorliegen besonderer Umstände erstattungsfähig.
2. Der Zeitaufwand einer Partei für die Beschaffung von Informationen und die Durch- und Aufarbeitung des Prozessstoffes gehört zum allgemeinen Prozessaufwand, der nicht erstattungsfähig ist. Das gilt grds. auch dann, wenn die Partei nicht selbst tätig geworden ist, sondern eine Hilfsperson beauftragt hat.
BGH, Beschl. v. 13.11.2014 – VII ZB 46/12
Sachverhalt
Die Kl. hatte gegen die Bekl. vor dem LG München I einen Anspruch aus einer Vertragserfüllungsbürgschaft geltend gemacht, die die Bekl. für die inzwischen insolvente K-GmbH gestellt hatte. Die Nebenintervenientin – eine Aktiengesellschaft – war dem Rechtsstreit im Wege der Nebenintervention auf Seiten der Bekl. beigetreten, da sie aufgrund einer Rückbürgschaft intern der Bekl. bei Inanspruchnahme aus der Bürgschaft zum Ausgleich verpflichtet war. Das LG München I hatte die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kl. hat das OLG München das erstinstanzliche Urteil unter Zulassung der Revision aufgehoben, den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und wegen der Anspruchshöhe das Verfahren an das LG München I zurückverwiesen. Auf die Revision der Bekl. und der Nebenintervenientin hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben, die Berufung der Kl. zurückgewiesen und ihr die Kosten der Rechtsmittelverfahren auferlegt.
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die Nebenintervenientin – soweit hier von Interesse – für die Revisionsinstanz Kosten i.H.v. 2.780 EUR für einen Verkehrsanwalt geltend gemacht. Der Rechtspfleger des LG München I hat die Verkehrsanwaltskosten nur i.H.v. 748 EUR für eine fiktive Informationsreise der Nebenintervenientin zu ihrem BGH-Anwalt festgesetzt. Ferner hat die Nebenintervenientin die Festsetzung weiterer Anwaltskosten i.H.v. 7.498,34 EUR beantragt. Dieser Betrag war der Nebenintervenientin von ihrem Prozessbevollmächtigten aufgrund einer gesonderten Honorarvereinbarung in Rechnung gestellt worden. Dieses Honorar bezog sich auf 30 Stunden, die der Rechtsanwalt für die Durchsicht der Bauakten der insolventen K-GmbH und damit im Zusammenhang stehende Besprechungen mit Dritten an drei Terminen in der Stadt E aufgewandt hat. Diesen Antrag hat der Rechtspfleger des LG München I in einem weiteren Beschluss in voller Höhe zurückgewiesen.
Das OLG München hat die gegen beide Beschlüsse des Rechtspflegers eingelegte sofortige Beschwerde der Nebenintervenienten durch einen einheitlichen Beschluss zurückgewiesen. Die – zugelassene – Rechtsbeschwerde der Nebenintervenientin hatte auch vor dem BGH keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
[11] "II … .2. a) Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass die Einschaltung eines Verkehrsanwalts für das Revisionsverfahren nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung i.S.v. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO notwendig gewesen ist."
[12] aa) Es entspricht der Rspr. des BGH dass im Berufungsverfahren Verkehrsanwaltskosten grds. nicht erstattungsfähig sind (BGH RVGreport 2005, 475 (Hansens) = AGS 2006, 148; BGH RVGreport 2006, 311 (ders.) = AGS 2006, 518 mit Anm. Onderka: im Berufungsverfahren nur ausnahmsweise erstattungsfähig, grds. nur in Höhe fiktiver Informationsreisekosten; BGH NJW 1991, 2084, 2085).
[13] Nach der st. Rspr. der OLG und der allgemeinen Meinung im Schrifttum sind auch im Revisionsverfahren Kosten für einen Verkehrsanwalt nur im Ausnahmefall erstattungsfähig (OLG Hamburg AGS 2012, 593; OLG Köln JurBüro 2010, 37: in Höhe ersparter Dolmetscher- bzw. Übersetzerkosten erstattungsfähig; OLG Hamm AnwBl. 2003, 185; OLG Stuttgart Justiz 2000, 304; OLG München MDR 1992, 524 = JurBüro 1992, 177 mit Anm. Mümmler; OLG Koblenz JurBüro 1991, 243: nur ausnahmsweise erstattungsfähig, wenn neue Tatsachen vorgetragen wurden; OLG Rostock RVGreport 2010, 395 (ders.); AnwKomm-RVG/Mock/N. Schneider, 7. Aufl., Nrn. 3401, 3402 VV RVG Rn 102 f.; Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., § 91 Rn 13 “Verkehrsanwalt‘).
[14] Diese Ansicht trifft zu. Der Verkehrsanwalt hat nach VV RVG 3400 einen beschränkten Pflichtenkreis; er führt lediglich den Verkehr der Partei mit dem Prozessbevollmächtigten, während die Prozessführung und die damit verbundene Beratung von dem Prozessbevollmächtigten in eigener Verantwortung wahrzunehmen ist (BGH zfs 2014, 344 m. Anm. Hansens = RVGreport 2014, 234 (Hansens); BGH RVGreport 2005, 475 (ders.); AnwKomm-RVG/Mock/N. Schneider, a.a.O. Rn 98). Eine Sachstandsunterrichtung des Revisionsanwalts durch den Prozessbevollmächtigten des Berufungsverfahrens ist in der Regel nicht erforderlich, da in der Revisionsinstanz das angefochtene Urteil lediglich anhand des vom BG festgestellten Sachverhalts auf Rechtsfehler und anhand des aus den Gerichtsakten ersichtlichen Sachverhalts auf erhobene Verfahrensrügen hin überprüft wird (vgl. OLG Hamburg AGS 2012, 593; OLG Hamm AnwBl. 2003, 185; OLG Dresden MDR 1998, 1372; OLG Koblenz JurBüro 1991, 243; AnwKomm-RVG/Mock/N. Schneider, a.a.O. Rn 103)....