StVG § 29; StPO § 303
Leitsatz
1. Die Zustimmung der Staatsanwaltschaft zu einer Einspruchsbeschränkung nach Beginn der Hauptverhandlung ist entbehrlich, wenn diese an der Hauptverhandlung nicht teilnimmt.
2. Zur Nichtverwertbarkeit von Eintragungen im Verkehrszentralregister nach Eintritt der Tilgungsreife während des Laufs der sog. Überliegefrist.
OLG Hamm, Beschl. v. 24.7.2014 – 1 RBs 124/14
Sachverhalt
Das AG hat auf den in der Hauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Einspruch des Betr. diesen wegen fahrlässigen Führens eines Kfz unter Wirkung eines berauschenden Mittels zu einer Geldbuße von 600 EUR verurteilt und gegen ihn ein dreimonatiges Fahrverbot unter Gewährung der sog. Viermonatsfrist verhängt. Das OLG Hamm hat auf die Rechtsbeschwerde des Betr. hin das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch insoweit aufgehoben, als der Betr. zu einer Geldbuße von mehr als 500 EUR verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von mehr als einem Monat verhängt worden ist.
2 Aus den Gründen:
" … Die Rechtsbeschwerde hat in vollem Umfang Erfolg und führt zu der tenorierten Entscheidung (§ 79 Abs. 6 OWiG)."
Angesichts der Ausführungen in der Rechtsbeschwerdebegründung ist der missverständlich formulierte Antrag des Betr. dahin auszulegen, dass er die Aufhebung des angefochtenen Urteils lediglich im Rechtsfolgenausspruch und lediglich in dem o.g. Umfang anstrebt, zumal er selbst eine Festsetzung der o.g. niedrigeren Sanktionen im zweiten Teil seines Antrages begehrt.
Das AG ist zu Recht von einer wirksamen Einspruchsbeschränkung ausgegangen. Der Bußgeldbescheid bietet in tatsächlicher Hinsicht eine hinreichende Grundlage für die Rechtsfolgenentscheidung. Der Umstand, dass der Einspruchsbeschränkung in der Hauptverhandlung mangels Teilnahme an dieser die Staatsanwaltschaft nicht zugestimmt hat, ist unschädlich. § 75 Abs. 2 OWiG erklärt für die Rücknahme des Einspruchs die Zustimmung der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung für entbehrlich, wenn sie nicht teilnimmt. Bei der Beschränkung handelt es sich aber um eine Teilrücknahme, für die die Regelung dann ebenfalls gilt (vgl. zu § 303 StPO: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 303 Rn 1).
In der Sache selbst schließt sich der Senat den zutreffenden Ausführungen der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft Hamm an, welche wie folgt lauten:
“Die Höhe der festgesetzten Geldbuße und die Dauer des verhängten Fahrverbots begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Das AG hat sowohl bei der Bemessung der Geldbuße als auch bei der Verhängung eines Fahrverbotes von drei Monaten zwei Voreintragungen verwertet, die bereits tilgungsreif waren:
Nach den Urteilsfeststellungen war gegen den Betr. mit seit dem 5.6.2007 rechtskräftigen Bußgeldbescheid v. 30.1.2007 eine Geldbuße i.H.v. 250 EUR sowie ein einmonatiges Fahrverbot wegen Führens eines Kfz unter Wirkung eines berauschenden Mittels (Tattag: 27.10.2006) verhängt worden. Zudem war gegen den Betr. nach den Urteilsfeststellungen des Weiteren mit seit dem 26.10.2011 rechtskräftigen Bußgeldbescheid v. 6.10.2011 eine Geldbuße i.H.v. 350 EUR wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften verhängt worden (Tattag: 26.5.2011).
Gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 StVG beträgt die Tilgungsfrist für Entscheidungen wegen einer Ordnungswidrigkeit zwei Jahre. Die erstgenannte Entscheidung war daher bereits mit Ablauf des 5.6.2009 tilgungsreif, die zweite Entscheidung mit Ablauf des 26.10.2013. Die dem angefochtenen Urteil zugrundeliegende Tat datiert hingegen v. 8.11.2013.
Dem steht die in § 29 Abs. 7 StVG normierte Überliegefrist von einem Jahr nicht entgegen. Denn nur so lange eine Voreintragung nicht getilgt ist, darf sie verwertet werden. Nach Tilgungsreife während der Überliegefrist bleibt es zwar bei einer Eintragung im Verkehrszentralregister, jedoch unterliegt die Voreintragung einem Verwertungsverbot (Hentschel, StVG, 38. Aufl., § 29 StVG, Rn 12). Die Voreintragung kann danach nach Ablauf der Tilgungsfrist nicht mehr zu einer Erhöhung des Bußgeldes oder der Anordnung bzw. Verlängerung eines indizierten Fahrverbots herangezogen werden. Die Überliegefrist soll lediglich verhindern, dass eine Entscheidung aus dem Register gelöscht wird, obwohl eine weitere Entscheidung während der Überliegefrist ergangen, dem Verkehrszentralregister aber noch nicht übermittelt worden ist. Dies hat das AG Dortmund im angefochtenen Urteil übersehen.
Da insoweit jedoch keine weiteren Feststellungen durch den Tatrichter, die zu einer anderen Entscheidung Anlass geben könnten, ersichtlich oder zu erwarten sind, kann der Senat gemäß § 79 Abs. 6 OWiG in der Sache selbst entscheiden und die zu verhängende Geldbuße unter Berücksichtigung der Gesamtumstände in angemessener Weise auf die für einen Erstverstoß vorgesehene Regelbuße von 500 EUR und die Dauer des hierzu verhängenden Fahrverbotes auf einen Monat festsetzen.‘
Der Betr. ist damit zu einer Geldbuße von 500 EUR verurteilt und gegen ihn ist ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt. Die Gewährung der sog. Viermonats...