StVG § 25; BKatV § 4 Abs. 2, 4
Leitsatz
Nach Teilnahme an der verkehrspsychologischen Maßnahme Mobil PLUS Prävention kann ein dreimonatiges Regelfahrverbot verkürzt werden, nicht aber ganz entfallen.
AG Bernkastel-Kues, Urt. v. 15.9.2015 – 8 OWi 8142 Js 7327/15
Sachverhalt
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 78 km/h zu einer Geldbuße von 1.200 EUR verurteilt und dem Betroffenen für die Dauer von 1 Monat verboten, Kfz aller Art zu führen, dabei die Schonfrist bewilligt. Im Bußgeldbescheid war noch ein Fahrverbot von 3 Monaten Dauer angeordnet.
2 Aus den Gründen:
"Wegen der Gründe nimmt das Gericht insb. Bezug auf die zur Akte gereichte Teilnahmebestätigung für die verkehrspsychologische Maßnahme Mobil PLUS Prävention. Zwar hat das OLG Bamberg unter dem 17.3.2008 und dem Az: 2 Ss OWi 265/2008 entschieden, dass wegen freiwilliger Teilnahme an einem Aufbauseminar allein von einem Regelfahrverbot nicht abgesehen werden sollte bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung. Im vorliegenden Fall ist es jedoch so, dass über die Teilnahme an diesem Seminar hinaus der Betroffene plausibel dargelegt hat, dass im Falle eines 3-monatigen Fahrverbotes der Verlust seines Arbeitsplatzes droht. Dazu führte der Arbeitgeber aus, dass im Falle der Verhängung eines dreimonatigen Fahrverbots die Kündigung während der Probezeit ausgesprochen werden müsste (Bl 83 dA)."
Zudem wurde von dem Regelfahrverbot nicht vollständig abgesehen, sondern das 3-monatige Regelfahrverbot wurde lediglich auf 1 Monat verkürzt. Überdies weist die Teilnahmebestätigung an der verkehrspsychologischen Maßnahme Mobil PLUS Prävention 3 Einzelsitzungen à 60 Minuten aus, auch weist die Teilnahmebestätigung aus, dass der Betroffene sich mit der begangenen Ordnungswidrigkeit befasst hat, die Verantwortung für sich und andere Verkehrsteilnehmer bewusst wahrgenommen und Anleitung erhalten hat, ein sicherheitsorientiertes Fahrverhalten durchgehend und nachhaltig umzusetzen. Ihm wird bestätigt, dass er sich zuverlässig in der Einhaltung der Termine und der vereinbarten Bearbeitung der Kursaufgaben und Beobachtungsübungen gezeigt hat. Nach den Gesprächsinhalten und dem gezeigten Verhalten während der Sitzungen war aus Sicht des leitenden Diplompsychologen abzuleiten, dass die beabsichtigte Erziehungswirkung bei durch die aktive Teilnahme an Mobil PLUS Prävention in Gang gesetzt wurde und er sich konkrete Handlungsanleitungen für ein zukünftig regelgerechtes Verhalten erarbeiten konnte. Aus verkehrspsychologischer Sicht wurde deshalb empfohlen, da von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, von einem Fahrverbot abzusehen. Da es sich jedoch vorliegend um ein Regelfahrverbot von 3 Monaten handelte, nicht lediglich um ein solches von 1 Monat, ist das Gericht trotz der erzieherischen Wirkung des Seminars nicht davon überzeugt, dass dieses die Wirkung eines 3-monatigen Fahrverbotes bereits erreicht. Das Gericht hat deshalb unter Berücksichtigung der Teilnahme an dieser verkehrspsychologischen Intensivberatung jedoch das Fahrverbot auf 1 Monat verkürzt.
Schließlich wurde die Geldbuße angesichts der Verringerung des Fahrverbots und der bei einer Überschreitung von 78 km/h offenbar vorsätzlichen Begehungsweise von 600 EUR auf 1.200 EUR verdoppelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1 StPO.
Die notwendigen Auslagen des Betroffenen hinsichtlich des anberaumten und ausgefallenen Termins vom 28.7.2015 waren aus Billigkeitsgründen der Staatskasse aufzuerlegen. Dieser Termin ist aufgrund Krankheit der damals zuständigen Richterin ausgefallen und konnte nicht rechtzeitig abgesagt werden, so dass der Verteidiger des Betroffenen bei Gericht erschienen ist.“
Mitgeteilt von RA Gerd-Michael Grigo, Morbach
3 Anmerkung:
Das AG Bernkastel-Kues bestätigt die bereits ergangene Rechtsprechung zur verkehrspsychologischen Nachschulung (u.a. AG Bernkastel-Kues, Urt. v. 21.10.2013 – 8 OWi 8142 Js 18729/13; AG Mannheim, Beschl. v. 31.7.2013 – 22 OWi 504 Js 8240/13; AG Niebüll, Urt. v. 24.7.2013 – 6 OWi 110 Js 7682/13 (23/13)), gerade was den Aspekt der Einstufung auf der Rechtsfolgenseite angeht: Ein (Teil-)Wegfall nach § 4 Abs. 4 BKatV ist möglich, der völlige Wegfall aber üblicherweise nicht. Es mag Gerichte geben, die bereits die Erforderlichkeit des Fahrverbots verneinen und auf die Erhöhung der Geldbuße verzichten – gut für den Betroffenen, aber kein Muss.
Wichtig ist noch der Aspekt der Summe der maximalen Erhöhung der Geldbuße: Hier konnten nur deshalb 1.200 EUR angesetzt werden, weil ein vorsätzlicher Verstoß vorlag. Nur dann darf die Grenze des § 17 OWiG überschritten werden (vgl. Krenberger, zfs 2015, 65 ff.).
Was mir an dieser Entscheidung allerdings nicht behagt, ist der Umstand, dass dem Betroffenen die Vergünstigung des § 4 Abs. 4 BKatV gewährt wurde, obwohl er sich wegen eines vorsätzlichen Verstoßes zu verantworten hat. Normalerweise ist bei Vorsatz auf jeden Fall der Denkzettel- und Besinnungseffekt des Fahrverbots vonnöten. Auch dies...