BGB § 254 Abs. 2
Leitsatz
Der Geschädigte eines Kfz-Unfalls darf sein Fahrzeug jederzeit und unabhängig davon veräußern, ob er zuvor ein Schadensgutachten eingeholt und der Schädigerseite vorgelegt hat. Insb. trifft ihn keine Wartepflicht, um der Haftpflichtversicherung die Gelegenheit zum Nachweis einer günstigeren Verwertungsmöglichkeit zu geben. Hat er jedoch ein Schadensgutachten eingeholt, so darf er der Schädigerseite die Möglichkeit zum Nachweis einer günstigeren Verwertungsmöglichkeit grds. nicht dadurch unmöglich machen, dass er die Weiterleitung des Gutachtens unangemessen verzögert.
LG Saarbrücken, Urt. v. 3.7.2015 – 13 S 26/15
Sachverhalt
Der Kl. macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, für dessen Folgen die Bekl. dem Grunde nach in voller Höhe haften.
Der Kl. gab am Tag nach dem Unfallereignis ein Schadensgutachten in Auftrag, das am 5.11.2013 bei dem Kl. einging. Es wies Reparaturkosten im 8.583,61 EUR brutto, eine Wertminderung von 400 EUR, einen Wiederbeschaffungswert von 11.900 brutto und einen Restwert von 4.800 EUR aus. Der Klägervertreter machte am 14.11.2013 den Schaden unter Übersendung des Schadensgutachtens geltend. Die Bekl. unterbreitete dem Kl. am 19.11.2013 ein Restwertangebot über 6.450 EUR. Dieses legte sie der Abrechnung des Schadens zugrunde. Die Bekl. zahlte auf den Wiederbeschaffungsaufwand 3.315,63 EUR, auf An- und Abmeldekosten 77 EUR und auf die Unkostenpauschale 25 EUR. Weiterhin erstattete sie Mietwagenkosten für die Dauer von 14 Tagen. Der Kl. hat erstinstanzlich behauptet, sein Fahrzeug am 13.11.2013 verkauft zu haben.
Das AG hat Beweis zur Höhe des Restwertes erhoben und bei seiner Entscheidung von dem Wiederbeschaffungswert von 10.500 EUR den in dem Gutachten angegebenen Wert von 6.540 EUR in Abzug gebracht. Eine Nutzungsausfallentschädigung stehe dem Kl. nicht zu, da die Bekl. die Regulierung nicht verzögert habe und der Kl. die Bekl. nicht auf einen drohenden Nutzungsausfallschaden hingewiesen habe. Die weiterhin geltend gemachten pauschalen An- und Abmeldekosten hat das AG angewiesen.
Der Kl. verfolgt mit seiner Berufung die Zuerkennung der erstinstanzlich abgewiesenen Schadensersatzbeträge. Die Bekl. geht davon aus, dass der Kl. mit der nach ihrer Ansicht verspäteten Übersendung des Gutachtens seine Schadensminderungsobliegenheit verletzt habe und sich auf das von der Bekl. eingeholte und übermittelte Angebot von 6.450 EUR für den Restwert verweisen lassen müsse.
Die Berufung des Kl. hatte teilweise Erfolg.
2 Aus den Gründen:
" … Die form- und fristgerecht eingelegte, mithin zulässige Berufung, ist teilweise begründet. Der Kl. kann weitere 2.050 EUR Wiederbeschaffungsaufwand sowie 500 EUR Nutzungsausfallentschädigung nebst vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten und Zinsen verlangen. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet."
1. Zutreffend und zweitinstanzlich unangegriffen hat das Erstgericht angenommen, dass die Bekl., deren Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 VVG außer Streit steht, dem Kl. den Wiederbeschaffungsaufwand zu ersetzen hat. Erleidet der Geschädigte – wie hier – einen wirtschaftlichen Totalschaden, kann er seinen Wiederbeschaffungsaufwand, d.h. den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwertes, ersetzt verlangen (vgl. BGH, Urt. v. 1.6.2010 – VI ZR 316/09, VersR 2010, 963 f.; Urt. v. 7.6.2005 – VI ZR 192/04, VersR 2005, 1257 ff.).
2. Entgegen dem Berufungsangriff ist es nicht zu beanstanden, dass das Erstgericht den Wiederbeschaffungswert in Übereinstimmung mit dem Gutachten des Sachverständigen … mit 10.500 EUR in Ansatz gebracht hat.
a) Wiederbeschaffungswert ist der Wert, den der Geschädigte aufwenden muss, um ein gleichwertiges Fahrzeug unter Berücksichtigung aller wertbildenden Faktoren nach gründlicher technischer Überprüfung (u.U. mit Werkstattgarantie) bei einem seriösen Gebrauchtwagenhändler zu erwerben (vgl. BGH, Urt. v. 17.5.1966 – VI ZR 252/64, VersR 1966, 830; Urt. v. 7.3.1978 – VI ZR 237/76, VersR 1978, 664 f.; OLG Frankfurt NZV 2014, 454 f.; OLG Köln VersR 2004, 1145 ff.; KG, Urt. v. 30.3.1995 – 12 U 5057, juris). Dabei ist maßgeblich auf den regionalen Markt abzustellen (vgl. OLG Köln a.a.O.; OLG Düsseldorf ZGS 2004, 395; KG a.a.O.).
b) Das Gutachten des Sachverständigen … dem das Erstgericht im Wesentlichen gefolgt ist, bildet eine hinreichende Grundlage für die erstgerichtliche Feststellung des Wiederbeschaffungswertes. Dass der Sachverständige zur Vorbereitung des Gutachtens auch überregionale Datenbankabfragen vorgenommen hat, steht der Annahme, das Gutachten habe in der gebotenen Weise den Wiederbeschaffungswert auf dem regionalen Markt abgebildet, nicht entgegen. Gerade unter den hier gegebenen Umständen, dass die einschlägigen Datenbankabfragen für den maßgeblichen Zeitpunkt auf dem regionalen Markt nur wenige Angebote ausweisen, ist es nicht zu beanstanden, wenn der Sachverständige im Rahmen einer Gesamtbetrachtung auch Angebote weiter entfernt ansässiger Anbieter berücksichtigt. Ausweislich des Hinweises auf die “Verkaufspreise bei regionalen ...