Eine weitere, zugegebenermaßen nicht verkehrszivilprozessspezifische, Verzögerungsquelle betrifft die Kommunikation zwischen Richter- und Anwaltschaft.
Die richterliche Unabhängigkeit ist gewiss ein hohes Gut. Sie ist Ausdruck der Rechtsstaatlichkeit, da sie die Weisungsfreiheit der Rechtsprechung garantiert, damit das Prinzip der Gewaltenteilung unterstreicht und die Neutralität des Spruchkörpers gewährleistet. Insofern liegt mir nichts ferner, als über Nachteile dieses "Instituts" für den Rechtsanwalt zu sinnieren, dies aber mit einer einzigen Ausnahme, nämlich der telefonischen Erreichbarkeit des Richters.
"Der Richter leistet geistige Arbeit und darf dabei nicht gestört werden, Durchwahlnummern dürfen wir nicht herausgeben. Deshalb möchten wir Sie bitten, Anfragen jeglicher Art stets schriftlich einzureichen", so die Geschäftsstelle einer Berufungskammer auf meine fernmündliche Bitte, mich mit Richter XY zu verbinden. Also habe ich meine Frage, ob es möglich wäre, einen angesetzten Termin um zwei Stunden vorzuverlegen, in einen Schriftsatz gefasst, diesen an das Landgericht gefaxt und zwei Tage später auf dem Postwege die Antwort erhalten, dass meiner Bitte aufgrund der Überlastung des Gerichts wegen zahlreicher weiterer Verfahren nicht entsprochen und der Termin auch von einem anderen Kollegen aus der Kanzlei wahrgenommen werden könne. Zur Vermeidung der Versendung meines Standardschriftsatzes, dass dem Mandanten ein Anspruch auf Vertretung durch den von ihm beauftragten Rechtsanwalt zusteht und die Verweigerung der Verlegung die Besorgnis der Befangenheit begründen kann, entschloss ich mich, abermals bei der Geschäftsstelle anzurufen, um die Sache zügig fernmündlich zu erörtern. Weder konnte ich das Gericht erreichen noch wurde meine Bitte um Rückruf erfüllt, so dass der Standardschriftsatz versandt und auf diesen hin der Termin verlegt wurde.
Für beide Seiten einfacher und schneller wäre es sicherlich gewesen, hätte man mein Anliegen mit der Bitte um einen kurzen Rückruf zumindest weitergeleitet. Leider kein Einzelfall. Ob Terminabstimmungen, Fragen zu Unklarheiten von Beschlüssen oder sonstige, laufende Verfahren betreffende Unstimmigkeiten – der "kurze Dienstweg" ist dem Parteivertreter in der Regel verschlossen.
Nun leisten auch Rechtsanwälte geistige Arbeit, so dass das Argument, ständige Unterbrechungen seien dem Arbeitsprozess abträglich, durchaus nachvollzogen werden kann. Auch ich gebe aus diesem Grund weder meine Bürodurchwahl noch meine Mobilfunknummer an Mandanten heraus. Insofern wäre es unlauter, dies auch von Richtern zu verlangen. Trotzdem bin ich telefonisch zu erreichen, sei es durch meine tägliche 60-minütige Sprechstunde oder aber durch Weiterleitung von fernmündlichen Mandantennachrichten durch unser Sekretariat, das selbstverständlich sämtliche Anfragen von Richtern, Versicherern oder Großmandanten sofort durchstellt. Sollte es für das Mandat wichtig sein, rufe ich selbstverständlich baldmöglichst zurück, sollte ich nicht in der Kanzlei sein.
Letzteres würde ich mir auch von der Richterschaft wünschen, da es unnötigen, zeitlich aufwendigen Schriftverkehr erspart und somit für beide Seiten nur Vorteile bringt. Auch kann ich in einer solchen Praxis keinerlei Kollision mit der richterlichen Unabhängigkeit erkennen, da es sich lediglich um eine Verlagerung der seitens der Gerichte formulierten schriftlichen Antwort auf schriftliche Eingaben eines Parteivertreters hin zu einer fernmündlichen Verständigung handelt. Und das sollte doch möglich sein.