ZPO § 3 § 114 ff.; GKG § 21 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
Behandelt ein Verwaltungsgericht einen Klageentwurf (hier: im Rahmen eines isolierten Antrags auf Bewilligung von PKH) zu Unrecht als Klage und weist es die vermeintliche Klage ab, so ist das Urteil im Berufungsverfahren aufzuheben und gem. § 21 Abs. 1 S. 1 GKG auszusprechen, dass Gerichtskosten nicht erhoben werden.
VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 2.10.2015 – 9 S 1048/15
Sachverhalt
Der vom Gericht als Kl. bezeichnete Antragsteller (nachfolgend: Kl.) reichte beim AG ein mit der Bezeichnung "Vollstreckungsabwehrklage …" überschriebenes Telefax ein. Dieses enthielt verschiedene Anträge und die Erklärung, er sei vermögenslos. In dem Telefax führte der Kl. ferner wörtlich aus: "Weiter wird PKH Antrag gestellt, da der Kl. kein eigenes Einkommen o.a. besitzt (Schüler). Die Klage erfolgt nicht mutwillig. Bei nicht Bewilligung ist die Klage nicht durchzuführen.“"
Das zunächst angerufene AG verwies den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten an das VG, wo das Verfahren als Klage mit zusätzlichem PKH-Antrag geführt wurde. Das VG lehnte den PKH-Antrag des Kl. ab und fragte, ob die Klage zurückgenommen werde. Hieraufhin teilte der Kl. mit, es habe sich um eine "bedingte Klage" gehandelt. Es sei lediglich "bei Bewilligung von PKH" Klage erhoben worden.
Das VG hat gleichwohl an der Behandlung als Klage festgehalten und die Klage dann nach mündlicher Verhandlung, zu der der Kl. nicht erschienen war, abgewiesen. Auf die zugelassene Berufung hat der VGH das Urteil des VG aufgehoben und angeordnet, dass die gerichtlichen Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu erheben seien
2 Aus den Gründen:
[18] "… B. I. Das Urteil des VG hätte nicht ergehen dürfen, da eine Klage nicht rechtshängig geworden ist. Ein Urteil, das trotz fehlender Rechtshängigkeit der Streitsache ergeht, ist aufzuheben (vgl. LAG Hamm, Urt. v. 2.3.2012 – 18 Sa 1176/11, juris, m.w.N.)."
[19] Eine Klage ist nicht wirksam erhoben worden. Der Kl. hat keine Klage erheben, sondern (zunächst) nur einen Antrag auf Bewilligung von PKH stellen wollen. Das folgt aus einer sachgerechten Auslegung seines Begehrens.
[20] Wird bei Gericht gleichzeitig mit einem PKH-Antrag ein Schriftsatz eingereicht, der – wie hier – allen an eine Klageschrift zu stellenden Anforderungen entspricht, sind grds. drei Möglichkeiten in Betracht zu ziehen. Der Schriftsatz kann eine unabhängig von der PKH-Bewilligung erhobene Klage sein. Es kann sich – zum anderen – um eine unter der Bedingung der PKH-Gewährung erhobene und damit unzulässige Klage handeln. Schließlich kann der Schriftsatz lediglich einen der Begründung des PKH-Antrags dienenden Entwurf einer erst zukünftig zu erhebenden Klage darstellen. Welche dieser Konstellationen vorliegt, ist eine Frage der Auslegung der im jeweiligen Einzelfall zu beurteilenden Prozesshandlungen. Dabei kommt es nicht auf den inneren Willen der Beteiligten an. Maßgebend ist vielmehr der in der Erklärung verkörperte Wille unter Berücksichtigung der erkennbaren Umstände des Falls (vgl. BVerwG Buchholz 310 § 166 VwGO Nr. 22, m.w.N.; vgl. auch VGH Baden-Württemberg VBlBW 1996, 339; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 82 Rn 8).
[21] Gemessen an diesen Grundsätzen ist das in dem am 3.5.2013 eingegangenen Schriftsatz formulierte Begehren nicht als Klage zu betrachten.
[22] Der Schriftsatz wird eingeleitet mit den Worten: “An das AG … Vollstreckungsabwehrklage … ’. Sodann folgen – jeweils textlich abgesetzt – die Nennung der Beteiligten, die Angabe des Streitwertes, die Anträge und eine Begründung. Dies entspricht dem Aufbau einer Klageschrift, der aber gleichermaßen bei reinen Entwürfen, die im Rahmen sogenannter isolierter PKH-Gesuche bei Gericht vorgelegt werden, Verwendung findet.
[23] Während die ersten Absätze des eingereichten Schriftsatzes somit keine Klarheit darüber verschaffen, ob es sich um eine Klageschrift oder lediglich den Entwurf einer solchen handelt, ergibt sich aus dem Gesamtwortlaut des Textes – unter Einbeziehung des Zusatzes “Bei nicht Bewilligung ist die Klage nicht durchzuführen.’ – hinreichend deutlich, dass der Kl. seine (bloß für später beabsichtigte) Klageerhebung von der Bewilligung von PKH abhängig machen wollte. Weder die falsche Schreibweise “nicht Bewilligung’ statt “Nichtbewilligung’ noch der Beginn des Absatzes mit den Worten “Weiter wird PKH-Antrag gestellt … ’ oder die Tatsache, dass die Klausel über die “Nichtdurchführung’ der Klage im Fall der Nichtbewilligung von PKH ohne Hervorhebung recht unscheinbar im Fließtext am Ende des Absatzes zu finden war, vermögen die Einsicht zu beseitigen, dass die (für später in Aussicht genommene) Klageerhebung unter den Vorbehalt der PKH-Bewilligung gestellt werden sollte. Hierbei darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich beim Kl. um einen anwaltlich nicht vertretenen, erst kurz zuvor volljährig gewordenen Rechtslaien handelte. Von einem rechtsunkundigen Rechtsschutzsuchenden kann nicht erwartet werden, dass er juristische Fachbegriffe beherrscht und die prozessuale Bede...