AEUV Art. 21; RL 83/182/EWG Art. 1 Abs. 4, 3 5 Abs. 1 7 Abs. 1; StVÜbk Art. 1 Buchst. b 3 Abs. 3; FZV § 3 Abs. 1 S. 1, 5 § 6 Abs. 1 S. 1 § 13 Abs. 3, 20, 22 § 46 Abs. 2
Leitsatz
Weder das Übereinkommen vom 8.11.1968 über den Straßenverkehr noch die Richtlinie 83/182/EWG über Steuerbefreiungen bei vorübergehender Einfuhr bestimmter Verkehrsmittel enthalten Regelungen, in welchem Staat ein Fahrzeug zuzulassen ist. Ein Unionsbürger muss daher ein von ihm genutztes Kraftfahrzeug grds. in der Bundesrepublik Deutschland zulassen, wenn es nicht nur vorübergehend eingeführt wird, sondern dort einen regelmäßigen Standort begründet hat und damit nicht unter die Ausnahme des § 20 FZV fällt.
BayVGH, Urt. v. 22.12.2015 – 11 B 15.1350
Sachverhalt
Die Kl. wendet sich gegen die Untersagung der Nutzung ihres in Bulgarien zugelassenen Personenkraftwagens. Sie hat seit 2002 an einer bayerischen Universität in verschiedenen Studiengängen studiert. Seit 2002 war sie an ihrem Universitätsort W. mit Hauptwohnsitz gemeldet. Seit 2007 benutzte sie hier ein in Bulgarien zugelassenes Fahrzeug. Gegen die Zulassungsaufforderung der zust. Behörde wendet sie ein, die Inlandszulassung würde eine Kfz-Steuerpflicht auslösen, was mit der Richtlinie 83/182/EWG unvereinbar sei.
2 Aus den Gründen:
[11] "… 1. Zutreffend geht das VG [Würzburg v. 29.1.2015 – W 6 K 13.498] davon aus, dass die Kl. verpflichtet ist, das streitgegenständliche Fahrzeug an ihrem Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland zuzulassen. Nach § 3 Abs. 1 S. 1 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr vom 3.2.2011 (FZV, BGBl I S. 139), zuletzt geändert durch Verordnung vom 30.10.2014 (BGBl I S. 1666), dürfen Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen nur in Betrieb gesetzt werden, wenn sie zum Verkehr zugelassen sind. Grds. sind daher alle Fahrzeuge zulassungspflichtig, mit denen im Geltungsbereich der FZV öffentliche Straßen benutzt werden."
[12] Aus § 6 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 46 Abs. 2 FZV ergibt sich nicht, dass das Fahrzeug der Kl. im Bundesgebiet nicht zugelassen werden muss, weil sie einen (weiteren) Wohnsitz im Ausland hat. §§ 6 bis 15 FZV regeln nur das Zulassungsverfahren. Nach § 6 Abs. 1 S. 1 FZV ist die Zulassung eines Fahrzeugs bei der nach § 46 FZV zuständigen Zulassungsbehörde zu beantragen. Zuständige Behörde ist nach § 46 Abs. 2 S. 1 FZV die Behörde des Wohnorts des Antragstellers, bei mehreren Wohnungen des Orts der Hauptwohnung i.S.d. Bundesmeldegesetzes, mangels eines solchen die Behörde des Aufenthaltsorts. Die FZV regelt dabei hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit in Abweichung vom früheren Standortprinzip, dass Fahrzeuge dort zuzulassen sind, wo der Halter seinen Sitz oder Wohnsitz hat (BR-Drucks 811/05 S. 170). Besteht kein Wohnsitz, so ist das Fahrzeug am Wohnort oder Aufenthaltsort eines Empfangsberechtigten zuzulassen (§ 46 Abs. 2 S. 2 FZV). Die Kl. hat einen Wohnsitz in W. und das Fahrzeug ist daher dort zuzulassen.
[13] 2. Die Kl. erfüllt auch nicht die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 20 Abs. 1 S. 1 FZV, da das Fahrzeug seinen regelmäßigen Standort in der Bundesrepublik Deutschland hat. Nach § 20 Abs. 1 S. 1 FZV dürfen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zugelassene Fahrzeuge vorübergehend am Verkehr im Inland teilnehmen, wenn für sie von einer zuständigen Stelle des anderen Mitgliedstaats eine gültige Zulassungsbescheinigung ausgestellt und im Inland kein regelmäßiger Standort begründet ist. Als vorübergehend gilt dabei nach § 20 Abs. 6 S. 1 FZV ein Zeitraum bis zu einem Jahr, der nach § 20 Abs. 6 S. 2 Nr. 1 FZV mit dem Tag des Grenzübertritts beginnt.
[14] Der regelmäßige Standort eines Fahrzeugs wird grds. durch seine tatsächliche Verwendung bestimmt. Es ist der Ort, von dem aus das Fahrzeug unmittelbar zum öffentlichen Straßenverkehr eingesetzt wird und an dem es nach Beendigung des Einsatzes ruht. Regelmäßiger Standort ist dabei derjenige des Schwerpunkts der Ruhevorgänge, wobei objektive Merkmale maßgeblich sind (BVerwG, Urt. v. 9.12.1983 – 7 C 70.81, DVBl 1984, 527).
[15] Die Frage, ob ein regelmäßiger Standort eines Fahrzeugs erst dann angenommen werden kann, wenn der Schwerpunkt der Ruhevorgänge ein Jahr im Inland bestanden hat, oder ob bei einer längerfristigen Verlegung des gewöhnlichen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts einer Person unter Mitnahme des Fahrzeugs nach Deutschland sofort ein regelmäßiger Standort des Fahrzeugs am neuen Wohnsitz oder Aufenthaltsort angenommen werden muss, braucht hier nicht entschieden zu werden. Das streitgegenständliche Fahrzeug befindet sich seit ca. acht Jahren im Bundesgebiet und wird seitdem regelmäßig vom gemeldeten Wohnsitz der Kl. in W. aus benutzt. Es befindet sich allenfalls für einige Wochen im Jahr in Bulgarien, wenn die Kl. ihre Eltern besucht. Damit hat es seit vielen Jahren seinen regelmäßigen Standort in Deutschland und eine nur vorübergehende Teilnahme am Straßenverkehr im Inland liegt nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 20 Abs. 6 S. 1 FZV nicht vor. Auch die Kl. hat bei de...