"Der zulässigen Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft bleibt der Erfolg in der Sache versagt. Das Amtsgericht hat zu Recht angenommen, dass Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Die Verfolgung der vorliegenden Verkehrsordnungswidrigkeit verjährt nach drei Monaten, solange wegen der Handlung weder ein Bußgeldbescheid ergangen noch öffentliche Klage, erhoben worden ist, danach in sechs Monaten (§ 26 Abs. 3 StVG). Unterbrochen wird die Verjährung durch Erlass des Bußgeldbescheides, sofern er binnen zwei Wochen (wirksam) zugestellt wird oder durch die (wirksame) Zustellung (§ 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 OWiG). Die Zustellung des Bußgeldbescheides ist nicht vor Eintritt der Verfolgungsverjährung bewirkt worden."
Der Verteidiger des Betr. war zwar gem. § 51 Abs. 3 S. 1 OWiG ermächtigt, Zustellungen für seinen Mandanten in Empfang zu nehmen. Allerdings weist die zu den Akten gereichte Vollmacht als Gegenstand der Vertretung “Strafsache’ aus. Bei dieser Bezeichnung handelt es sich auch nicht um ein Versehen; denn Anlass für die Mandatierung war erkennbar das an den Getroffenen gerichtete Schreiben des Polizeipräsidiums Westpfalz, in dem ihm eröffnet wurde, Beschuldigter einer Straftat zu sein. Bei dem verfahrensgegenständlichen Unfall war der Unfallgegner leicht verletzt worden. Eine in einem Strafverfahren erteilte Vollmacht zur Verteidigung wirkt in dem sich anschließenden Bußgeldverfahren auch nicht fort (OLG Brandenburg, Beschl. v. 4.12.2008 – 2 Ss 121 Z/08). Bei der Auslegung des Mandatsumfangs ist aber nicht nur der Wortlaut der Vollmacht maßgebend, sondern auch die Gesamtumstände sowie das weitere Auftreten im Verfahren zu berücksichtigen (OLG Jena, Beschl. v. 7.12.2006 – 1 Ss 130/06). Aus diesen ergibt sich hier eindeutig, dass der Verteidiger auch im Bußgeldverfahren für den Betr. tätig werden sollte. So hat ein Rechtsanwalt aus der Kanzlei des Verteidigers mit Schriftsatz vom 4.6.2014 Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt, und der Verteidiger hat den Hauptverhandlungstermin vor dem Amtsgericht wahrgenommen,
Die Zustellung an den Verteidiger ist aber bis zum Eintritt der Verteidigungsverjährung nicht bewirkt worden. Die Zustellung des Bußgeldbescheides ist hier an die “Rechtsanwälte R. S. E.’ gerichtet worden. Die zu den Akten gereichte Vollmacht wurde dagegen ausschließlich Rechtsanwalt S. erteilt. Ist nur ein bestimmter Rechtsanwalt aus einer Kanzlei als Verteidiger mandatiert, ist die ausdrücklich an die Kanzlei als solche gerichtete und ohne jeden namentlichen Hinweis auf den bevollmächtigten Verteidiger versehene Zustellung unwirksam (OLG Celle, Beschl. v. 30.8.2011 – 311 SsRs 126/11). Dies gilt auch dann, wenn der Name des bevollmächtigten Verteidigers in der Bezeichnung der Kanzlei vorkommt (OLG Dresden, Beschl. v. 16.2.2009 – Ss 15/09).
Der vorliegende Zustellungsmangel wurde nicht gem. §§ 51 Abs. 1 S. 1 OWiG, Abs. 1 LVwZG, 8 VwZG geheilt. Danach gilt ein Dokument als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist, wenn sich eine formgerechte Zustellung nicht nachweisen lässt oder es unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist. Diese Regelung gilt nicht nur – wie der Verteidiger meint – im Fall der elektronischen Zustellung; die Vorschrift enthält lediglich auch eine Sonderregelung für die Zustellungsfiktion bei der elektronischen Zustellung.
Der tatsächliche Zugang des Bußgeldbescheids bei dem Verteidiger ist für den Zeitraum vom 28.5. bis zum 4.6.2014 nicht belegt. Für den tatsächlichen Zugang reicht einerseits nicht aus, dass der Verteidiger erfahren hat, dass gegen seinen Mandanten ein Bußgeldbescheid erlassen wurde; denn er muss von dem Inhalt des Bußgeldbescheids Kenntnis nehmen können. Andererseits muss ihm der Bußgeldbescheid nicht vorgelegt worden sein. Ihm muss vielmehr bekannt sein, dass sich der Bußgeldbescheid in seiner Kanzlei befindet und er deshalb Zugriff auf das Dokument hat. Dies lässt sich allerdings aus der Unterschrift unter dem Schriftsatz vom 4.6.2014 auch dann nicht mit hinreichender Sicherheit herleiten, wenn sie von dem Verteidiger stammen sollte. Mit diesem Schriftsatz wurde Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt und Akteneinsicht beantragt.
Dass der Verteidiger selbst diesen Schriftsatz nach Vorlage des Bußgeldbescheides diktiert oder seine Erstellung veranlasst hat, ist nicht zwingend. Der Schriftsatz enthält einen standardisierten Text, der nicht von dem Verteidiger stammen muss, sondern auch nach Mitteilung über den Erlass des Bußgeldbescheides von einem anderen Mitarbeiter der Kanzlei erstellt worden sein kann. Dem Schriftsatz ist neben dem bereits durch das Schreiben des Polizeipräsidiums vom 9.5.2014 in der Kanzlei bekannten Aktenzeichen des Vorgangs das Datum des Bußgeldbescheids und das Datum seine Zustellung zu entnehmen. Dem Schriftsatz lässt sich nicht entnehmen, wem der Bußgeldbescheid zugestellt worden ist. § 51 Abs. 2 OWG erlaubt auch eine Zustellung des Bußgeldbescheids an den Betr. ...