1. Ausschreitungen von Zuschauern von Fußballspielen durch Abbrennen von Feuerwerkskörpern, Werfen von Gegenständen und Schlägereien können zu rechtlichen Schritten der hierdurch Verletzten, häufiger jedoch zu Maßnahmen der Sportgerichtsbarkeit führen. Neben dem Ausschluss der betroffenen Vereine aus laufenden oder künftigen Wettbewerben können Zuschauer ganz oder teilweise ausgeschlossen werden (sog. Geisterspiele) oder Geldstrafen verhängt werden. In Deutschland ist Grundlage für diese Aktivität der Sportgerichtsbarkeit § 9a der DFB-Rechts- und Verfahrensordnung, der Folgendes bestimmt:
"1. Vereine und Tochtergesellschaften sind für das Verhalten ihrer Spieler, Offiziellen, Mitarbeiter, Erfüllungsgehilfen, Mitglieder, Anhänger, Zuschauer und weiterer Personen, die im Auftrag des Vereins eine Funktion während des Spiels ausüben, verantwortlich."
2. Der gastgebende Verein und der Gastverein bzw. ihre Tochtergesellschaft haften im Stadionbereich vor, während und nach dem Spiel für Zwischenfälle jeglicher Art.“
2. Da Eintrittskarten blockweise vergeben werden, lassen sich etwa abgeschossene Feuerwerkskörper dem jeweiligen Zuschauerkontingent zuordnen. National und international sind entsprechende Maßnahmen der Sportgerichtsbarkeit getroffen worden (vgl. die Beispiele bei Walker, NJW 2014, 119 f.). Eine neuere Entwicklung geht dahin, dass die hiervon betroffenen Vereine Regress bei den jeweiligen "störenden" Zuschauern nehmen, bisher mit wechselndem Erfolg, nach dem vorliegenden Urteil des BGH mit steigender Erfolgsaussicht. Da die Zuschauer eines Fußallspiels mit Kameras überwacht werden, sind die Chancen für ihre Überführung gut.
Da die angeordnete Haftung der Vereine verschuldensunabhängig ist und die Vereine für die aufgeführten Personen haften, ist die Frage der Wirksamkeit der "Strafbefugnis" der Sportgerichtsbarkeit erörtert, von der Sportgerichtsbarkeit des DFB aber durchgängig bejaht worden (vgl. SportG DFB SpuRt 2013, 83; DFB-Bundesgericht SpuRt 2013, 214; Ständiges Schiedsgericht SpuRt 2013, 200).
Ein Abweichen vom Verschuldensgrundsatz wird durch die Besonderheiten der geregelten Materie legitimiert. Das Ziel, Spiele frei von Ausschreitungen durchführen zu können und die betroffenen Vereine zu präventiven Maßnahmen zu veranlassen (Eingangskontrollen, Überwachung der "feindlichen" Blöcke), rechtfertigt die in § 9a DFB-RuVO getroffene Haftungserweiterung auf Dritte (vgl. Walker, a.a.O., 124).
3. Nicht immer ist der Zuschauervertrag die ausreichende Rechtsgrundlage für die Begründung einer Pflichtverletzung des "störenden" Zuschauers. Der Zuschauervertrag kann mit dem Heimverein, dem Gastverein, dem ein bestimmtes Kartenkontingent überlassen wird, und dem Dachverband, der Pokalspiele veranstaltet, abgeschlossen worden sein (vgl. Meier/Lenze, MDR 2017, 6 ff.). Scheiden gegenüber dem mittelbar geschädigten Verein vertragliche Beziehungen aus, kann eine Haftung aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter angenommen werden (vgl. Meier/Lenze, a.a.O.).
RiOLG a.D. Heinz Diehl
zfs 3/2017, S. 138 - 141