BGB § 241 Abs. 2 § 249 Abs. 1 § 280 Abs. 1
Leitsatz
Wirft ein Zuschauer eines Fußballspiels einen gezündeten Sprengkörper auf einen anderen Teil der Tribüne, kann er vertraglich auf Schadensersatz für eine dem Verein deswegen gem. § 9a Nr. 1 und 2 der Rechts- und Verfahrensordnung des Deutschen Fußball-Bundes e.V. auferlegte Geldstrafe haften.
BGH, Urt. v. 22.9.2016 – VII ZR 14/16
Sachverhalt
Die Kl. betreibt den Fußballprofibereich eines Sportvereins. Sie nimmt den Bekl. auf Schadensersatz wegen des Zündens eines Knallkörpers bei einem Heimspiel ihrer Lizenzspielermannschaft in Anspruch. Der Bekl. hatte das Fußballspiel mit einer ihm von einem Bekannten überlassenen Dauerkarte besucht. In der zweiten Halbzeit zündete er einen aufgrund seiner Sprengwirkung dem Sprengstoffgesetz unterfallenden Sprengkörper. Den Sprengkörper warf er von seinem Sitzplatz im Oberrang der Nordtribüne auf den Unterrang, in dem dieser explodierte. Dabei wurden sieben Zuschauer verletzt. Wegen dieses Vorfalls und vier weiterer vorangegangener Vorfälle bei anderen Spielen verhängte das Sportgericht des DFB eine Verbandsstrafe gegen die Kl., die sich aus einer Geldstrafe von 50.000 EUR sowie einer zur Bewährung ausgesetzten Anordnung, zwei Heimspiele unter teilweisem Ausschluss der Öffentlichkeit auszutragen, zusammensetzte. Weiterhin erteilte es der Kl. die Bewährungsauflage, insgesamt einen Geldbetrag von 20.000 EUR für Projekte und Maßnahmen zu verwenden, die der Gewaltprävention sowie der Ermittlung von konkreten Tätigen bei Ausschreitungen während der Fußballspiele dienen. Auf die Bewährungsauflage wurde ein Betrag von 19.900 EUR angerechnet, den die Kl. bereits zuvor für die Anschaffung eines Kamerasystems aufgewendet hatte. Die abgeurteilte Gesamtstrafe wurde in Anlehnung an die Gesamtstrafenbildung entwickelt. Für den vom Bekl. verschuldeten Vorfall wurde eine Einzelgeldstrafe als Einsatzstrafe eingestellt. Die weiteren Einzelstrafen wurden zu jeweils 50 % addiert, woraus sich ein Betrag von 79.000 EUR unter Einbeziehung der zu leistenden Investitionen von 30.000 EUR ergab. Der verbleibende Betrag von 49.000 EUR wurde auf 50.000 EUR aufgerundet.
Nach Begleichung der Geldstrafe durch die Kl. macht sie die Verurteilung des Bekl. zur Zahlung von 30.000 EUR, der unveränderten eingestellten Geldstrafe bei der Bildung der Gesamtstrafe, geltend. Das LG hat der Klage stattgegeben. Das BG hat unter Verneinung des Zurechnungszusammenhangs zwischen dem Werfen des gezündeten Knallkörpers und der gezahlten Geldstrafe die Klage abgewiesen. Die Revision der Kl. führte zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
2 Aus den Gründen:
[10] "… Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Mit der vom BG gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Kl. gem. § 280 Abs. 1 BGB nicht verneint werden."
[11] 1. Rechtsfehlerfrei geht das BG davon aus, dass zwischen der Kl. und dem Bekl. ein Zuschauervertrag zustande gekommen ist. Revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Annahme des BG, der Bekl. habe seine ihm aus dem Zuschauervertrag gegenüber der Kl. erwachsenen Verhaltenspflichten verletzt, indem er einen Knallkörper zündete und diesen auf den Unterrang der Nordtribüne warf. Diese Pflichten ergeben sich nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des BG sowohl aus der wirksam in den Vertrag einbezogenen Stadionordnung als auch unabhängig hiervon gem. § 241 Abs. 2 BGB allgemein aus dem Zuschauervertrag (vgl. etwa OLG Rostock, NJW 2006, 1819 = SpuRt 2006, 249). Zutreffend gelangt das BG zu dem Ergebnis, dass der Bekl. durch das Zünden des Knallkörpers pflichtwidrig das Interesse der Kl. an einem ungestörten Spielablauf beeinträchtigt hat.
[12] Ohne Rechtsfehler hat das BG schließlich eine adäquate Kausalität des Zündens des Knallkörpers durch den Bekl. für die Verhängung der Verbandsstrafe durch das Sportgericht des DFB bejaht. Insb. ist es weder völlig unwahrscheinlich noch ungewöhnlich, dass Fußballclubs im Anschluss an Pyrotechnikvorfälle im Stadion Verbandsstrafen auferlegt werden (vgl. nur Walker, NJW 2014, 119, 120; Kober, Pyrotechnik in deutschen Fußballstadien, 2015, S. 131; Seip, causa sport 2016, 40, 43).
[13] 2. Rechtsfehlerhaft nimmt das BG jedoch an, es fehle an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang zwischen dem geltend gemachten Schaden und der Pflichtverletzung des Bekl.
[14] a) Im Ansatz zutreffend geht das BG allerdings davon aus, dass nicht jeder adäquat verursachte Schaden zu ersetzen ist. Es entspricht ganz überwiegender Auffassung und der st. Rspr. des BGH, dass die Schadensersatzpflicht durch den Schutzzweck der Norm begrenzt wird. Eine Haftung besteht nur für diejenigen äquivalenten und adäquaten Schadensfolgen, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte Vertragspflicht übernommen wurde. Der geltend gemachte Schaden muss in einem inneren Zusammenhang mit der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage stehen. Ein “äußerlicher‘, gleichsam “zufälliger‘ Zusammenhang genügt d...