a. Ist eine feststellungsbereite Person am Unfallort anwesend, so sieht § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB vor, dass der Unfallbeteiligte sich als solcher vorstellt und – bevor er die Unfallstelle verlässt – Feststellungen zur Person, zum Fahrzeug und zur Art der Beteiligung durch seine Anwesenheit zulässt. Wie weit reicht diese Verpflichtung? Muss derjenige, der im trunkenen Zustand von der Fahrbahn abgekommen ist und einen Gartenzaun beschädigt hat, Feststellungen zur Art seiner Beteiligung, also auch zu seiner Trunkenheit, dulden?
Auch hier bringt eine strikte Anbindung an den Schutzzweck eine klare Lösung: Dieser Unfallbeteiligte muss keine Feststellungen zum Grad seiner Alkoholisierung ermöglichen. Denn diese ist für die zivilrechtliche Verantwortlichkeit nach §§ 7, 18 StVG völlig unabhängig vom Ausmaß der Alkoholisierung. Den Gartenzaun trifft auch kein Mitverursachungsanteil nach § 17 StVG: Nicht der Zaun ist auf die Straße gesprungen, sondern der Unfallverursacher ist in diesen hineingefahren. Anders als bei Unfällen mit zwei bewegten Fahrzeugen oder bei Personenschäden ist daher die Trunkenheit bei Unfällen, in denen stehende Objekte angefahren werden, für die zivilrechtliche Verantwortlichkeit irrelevant.
Das OLG Zweibrücken hatte folgenden Fall zu entscheiden: Der Angeklagte A war auf ein stehendes Fahrzeug aufgefahren. Die herbeigerufene Polizei hatte die Personalien und die Fahrzeugbeschädigungen aufgenommen und A im Streifenwagen platziert, da sie wegen des Verdachts der erheblichen Alkoholisierung noch eine Blutentnahme durchführen lassen wollten. A verließ unbemerkt das Fahrzeug und flüchtete zu Fuß von der Unfallstelle. Entgegen den Vorinstanzen wurde eine Strafbarkeit wegen Unfallflucht vom OLG abgelehnt: Die mögliche Alkoholisierung des A war zwar relevant für Strafverfolgungsmaßnahmen nach §§ 315c, 316 StGB, für das zivilrechtliche Beweissicherungsinteresse und damit für § 142 StGB war sie bedeutungslos. Vielmehr hatte A alle erforderlichen Feststellungen am Unfallort durch seine Anwesenheit bereits ermöglicht, bevor er sich entfernte. Daher bedurfte es dann auch keiner nachträglichen Meldung mehr.
b. Die Kommentierungen zu § 142 StGB und die verkehrsstrafrechtlichen Handbücher verweisen bei der Dauer der angemessenen Wartefrist meist auf Rechtsprechungsentscheidungen, die orientiert an der Schwere des Unfalls die Wartezeit von zehn Minuten bis hin zu einer Stunde bestimmen. Dabei reichen die Übersichten teilweise zurück bis in die sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Hierzu ist vorab zu bemerken, dass Wartezeiten, die zur alten Rechtslage – also vor 1975 – bestimmt wurden, nicht übertragbar sind. Denn damals fehlte noch die Verpflichtung, sich nach erfolglosem Warten nachträglich zu melden, so dass grundsätzlich längere Wartezeiten festgelegt wurden.
Wonach ist die Wartezeit nun zu bestimmen? Sie dient dazu, das Eintreffen feststellungsbereiter Personen abzuwarten, die die erforderlichen Beweissicherungsmaßnahmen vor Ort treffen können. Entscheidend ist damit die Prognose, wann mit dem Eintreffen solcher Personen zu rechnen ist. Dies wird man bei der Beschädigung eines Fahrzeugs, das mit einem Parkschein versehen wurde, zwar relativ genau vorhersagen können. Sonst bleiben für die Prognose eher allgemeine Erfahrungswerte: So ist nach einem Unfallgeräusch damit zu rechnen, dass aufmerksam gewordene Anwohner innerhalb der nächsten 15 Minuten an der Unfallstelle erscheinen. Wer hingegen in einem Waldstück eine Leitplanke beschädigt, wird diese Prognose nicht stellen können.
Ergänzt wird diese Prognose durch die widerstreitenden Interessen der Beteiligten. Das Interesse des Geschädigten wird umso höher gewichtet, je größer der Schaden ausfällt. Auch hier muss jedoch der Schutzzweck der Norm genauer betrachtet werden. Die Wartefrist will eine Beweissicherung gerade am Unfallort ermöglichen. Ist die Haftungslage nun aber so eindeutig, dass es für die Durchsetzung des Ersatzanspruchs entscheidend auf die Personalien des Verursachers und etwa noch die Kongruenz der Schäden ankommt, dann ist dem Geschädigten auch mit der nachträglichen Mitteilung gedient. Wartezeitverkürzend ist daher eine einfache Haftungslage, aber auch das Zurücklassen des Fahrzeugs an der Unfallstelle oder der Umstand, dass der Unfallbeteiligte am Unfallort eine Nachricht mit seinen Kontaktdaten hinterlassen hat. Im zuletzt genannten Fall weiß der später eintreffende Geschädigte zumindest, dass ihm der Schaden wohl ersetzt werden wird, so dass er nicht in Gefahr gerät, sich seine Beweislage selbst zu verschlechtern – etwa dadurch, dass er den Schaden im irrigen Glauben, es liege eine Unfallflucht vor, notdürftig selbst repariert. Im Übrigen ist der Unfallbeteiligte nach § 34 StVO ohnehin verpflichtet, eine solche Nachricht beim Verlassen der Unfallstelle zu hinterlegen. Auf Seiten des Unfallbeteiligten ist sein Interesse zu berücksichtigen, den Unfallort so schnell wie möglich zu verlassen, etwa weil ein dringender...