AKB § 12 Nr. 1 Abs. 1 lit. c S. 4; RVG § 2 § 13 § 14
Leitsatz
1. Wird das kaskoversicherte Fahrzeug "durch unmittelbare Einwirkung von Überschwemmung" beschädigt und vergrößert sich dann der Umfang der Beschädigung dadurch, dass versucht wird, den Motor zu starten (sog. Wasserschlag), hat der VR nach den üblichen Bedingungen auch dafür einzustehen (vorbehaltlich besonderer Vorschriften wie etwa § 82 VVG).
2. Ein VN kann von seinem Kaskoversicherer keine Entschädigung für die Einholung einer Deckungszusage des Rechtsschutzversicherers verlangen.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Hamm, Urt. v. 2.11.2016 – 20 U 19/16
Sachverhalt
Der Kl. macht aus einer bei dem Bekl. genommenen Teilkaskoversicherung einen Anspruch wegen eines Überschwemmungsschadens geltend.
Der Vertrag bestimmt unter: A.2.2.3: "[S. 1:] Versichert ist die unmittelbare Einwirkung von Sturm, Hagel, Blitzschlag, Überschwemmung, Lawinen oder Muren auf das Fahrzeug. … [S. 5:] Eingeschlossen sind Schäden, die dadurch verursacht werden, dass durch diese Naturgewalten Gegenstände auf oder gegen das Fahrzeug geworfen werden. [S. 6:] Ausgeschlossen sind Schäden, die auf ein durch diese Naturgewalten veranlasstes Verhalten des Fahrers zurückzuführen sind.“"
Am Pfingstmontagabend des Jahres 2014 traf der Sturm "Ela" mit Extremregen die Stadt X. Der versicherte Kastenwagen befuhr den Bereich einer Unterführung. Der Fahrer musste verkehrsbedingt anhalten. Der Wagen wurde dann in kürzester Zeit von Wasser eingeschlossen. Dem Fahrer war es nicht mehr möglich, den Wagen in Sicherheit zu bringen. Das Wasser stieg u.a. bis in die Fahrerzelle und erreichte jedenfalls auch Teile des Motors. Der Motor war schon damit reparaturbedürftig.
Der Bekl. hat dann eingewendet, der Motor sei nach der Überschwemmung gestartet worden; dadurch erst sei es – mittelbar – zu einem sog. "Wasserschlag" gekommen. Das LG hat die Klage abgewiesen.
2 Aus den Gründen:
" … Die Berufung hat überwiegend Erfolg. Die Klage ist bis auf einen Teil der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten begründet."
1. Der Kl. hat gem. § 1 S. 1 VVG i.V.m. dem Versicherungsvertrag Anspruch auf Zahlung von 6.295,38 EUR.
Dies gilt auch, wenn man zugunsten des Bekl. dessen – vom LG als unstreitig angesehenen – Sachvortrag als richtig unterstellt.
a) Der Versicherungsfall des A.2.2.3 S. 1 Variante 4 (Überschwemmung) AKB ist eingetreten.
aa) Die Überschwemmung wird von dem Bekl. nicht in Abrede gestellt.
bb) Diese wirkte auch unmittelbar auf das Fahrzeug ein und beschädigte es.
Das Merkmal der Unmittelbarkeit setzt voraus, dass die Naturgewalt einzige oder letzte Ursache sein muss. …
So lag es hier. Die Überschwemmung des Fahrzeugs erfolgte ohne Mitwirkung einer anderen Ursache, etwa eines Fahrfehlers. Der Fahrer hatte verkehrsbedingt angehalten. Dann kam unausweichlich die Überschwemmung. Die Überschwemmung wirkte auch – ebenso – unmittelbar auf das Fahrzeug ein und beschädigte jedenfalls den Motor. Sie war die letzte Ursache. Denn bereits die Überschwemmung allein (ohne späteren Versuch, den Motor zu starten) machte eine Reparatur des Motors erforderlich.
Der Bekl. hat bereits in erster Instanz vorgetragen und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wiederholt, das Fahrzeug hätte in eine Werkstatt gebracht und der Motor dort vor einem ersten Start fachgerecht repariert, nämlich jedenfalls fachgerecht vollständig von Wasser und Feuchtigkeitsrückstanden befreit werden müssen. Vorstehendes gilt uneingeschränkt auch dann, wenn der Motor bei Einwirkung der Überschwemmung noch lief. Auch dann war die Überschwemmung die letzte Ursache.
b) Der Bekl. ist hiernach zur Leistung verpflichtet. Dies gilt (vorbehaltlich der Frage nach einer Obliegenheitsverletzung und einer Anwendung des § 82 VVG; dazu noch unten) auch, soweit der Umfang des Schadens durch ein Starten des Motors nach der Überschwemmung vergrößert wurde.
Denn in diesem Sinne ist die Regelung in A.2.2.3 S. 1 und S. 6 AKB auszulegen.
aa) Maßgeblich ist, wie ein durchschnittlicher VN die Regelung bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an. … Versicherungsbedingungen sind daher aus sich heraus zu interpretieren. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den VN erkennbar sind. …
bb) Der BGH hat zu der früher üblichen, inhaltsgleichen Regelung in § 12 Nr. 1 Abs. I Buchst. c) S. 1 und S. 4 AKB sowie deren Sinn und Zweck ausgeführt (BGH VersR 2006, 966): Der Satz über den “Ausschluss‘ derjenigen Schäden, welche auf ein durch die Naturgewalt veranlasstes Fahrerverhalten zurückzuführen seien, sei eine Klarstellung des Merkmals “unmittelbar‘; er enthalte keinen echten Risikoausschluss; es gehe um die Abgrenzung zu dem allein in der Vollkaskoversicherung geschützten ...