I. Mitverschulden im Gewand der Vorteilsausgleichung
Bereits im Jahr 1984 sah sich der II. Zivilsenat des BGH veranlasst, zur Frage der obligatorischen Berücksichtigung einer möglichen Verjährungseinrede eines Geschädigten gegenüber Dritten Stellung zu nehmen. Im dort zugrundeliegenden Fall hatte die Klägerin als Hauptfrachtführer für ihre Auftraggeberin Kabeltrommeln zu befördern. Dabei schaltete sie für den Schiffstransport die Beklagte als Unterfrachtführerin ein. Bei der Beladung durch die Klägerin kenterte und sank das von der Unterfrachtführerin bereitgestellte, aber ungeeignete Schiff, so dass die bereits geladenen Kabeltrommeln beschädigt wurden. Daraufhin nahm die Transportversicherung der Auftraggeberin die nunmehr klagende Reederin in Anspruch, die wiederum von der beklagten Unterfrachtführerin die Freistellung von diesem Anspruch verlangte. Nach der vom BGH als wirksam angesehenen Transportvereinbarung zwischen der Klägerin und ihrer Auftraggeberin verjährten sämtliche Ansprüche innerhalb von sechs Monaten ab ihrer Entstehung. Dieser Zeitraum war bereits vor Geltendmachung der Ansprüche gegenüber der Klägerin verstrichen.
In seiner Entscheidung wies der BGH darauf hin, dass die Klägerin ihrem Befreiungsanspruch eine (im Verhältnis zu ihrer Auftraggeberin) eingetretene Verjährung im Rahmen der Vorteilsausgleichung entgegenhalten lassen müsse. Zwar erlösche eine verjährte Forderung nicht, sondern könne weiterhin erfüllt werden. Dennoch sei "der Fall, in dem der Gläubiger des Schuldbefreiungsanspruchs der gegen ihn gerichteten Forderung seines Gläubigers die Einrede der Verjährung entgegensetzen kann, grundsätzlich nicht anders zu behandeln als jener, in dem die Forderung nicht besteht". Dieses folge "aus dem – auch für den Gläubiger des Freistellungsanspruchs erkennbaren und zu berücksichtigen – Interesse des Schuldners, diesen nur insoweit von seiner Schuld befreien zu müssen, als er auf deren Erfüllung [selbst] in Anspruch genommen werden kann".
Im Jahr 2007 bezog sich der VII. Zivilsenat des BGH ebenfalls im Rahmen einer angenommenen Vorteilsausgleichung auf die oben genannte Entscheidung und schloss sich deren Ausführungen an. Anlass der Entscheidung war eine werkvertragliche Leistungskette, nach der die Klägerin aus abgetretenem Recht von einem Fensterlieferanten Schadensersatz wegen der Lieferung mangelhafter Fenster verlangte. Der Zedent hatte als Nachunternehmer im Auftrag eines Generalunternehmers sämtliche Fensterbauarbeiten einschließlich der Materialbeschaffung übernommen. Obwohl die verbauten Fensterteile mangelhaft waren, hatten aber weder der Bauherr noch der Generalunternehmer Schadensersatzansprüche gegenüber dem Nachunternehmer geltend gemacht. Zum Zeitpunkt der Entscheidung waren diese Ansprüche zudem bereits verjährt.
Der BGH führte aus, dass die fehlende Inanspruchnahme des Nachunternehmers durch den Bauherren oder den Generalunternehmer zwar dessen eigene Schadensersatzansprüche gegen den Lieferanten zunächst nicht berühre. Sobald jedoch für etwaige Gewährleistungsansprüche gegen den Nachunternehmer bereits die Verjährungsfrist verstrichen ist, sei "der Nachunternehmer … gegebenenfalls zwecks Minderung des Schadens zur Erhebung dieser Verjährungseinrede gehalten". Den daraus resultierenden Vorteil habe der Nachunternehmer dann nach Treu und Glauben an den Lieferanten weiterzugeben.
Im Schrifttum ist diese Entscheidung auf Kritik gestoßen. Zutreffend wurde darauf hingewiesen, dass die vom BGH gewählte Anknüpfung am schadensrechtlichen Prinzip der Vorteilsausgleichung – ungeachtet des gefundenen Ergebnisses – kaum überzeugen kann. Zum einen handelt es sich bei einer dem Geschädigten zustehenden Verjährungseinrede gegenüber Dritten nicht um einen aus dem schädigenden Ereignis stammenden Vorteil. Vielmehr mildert die Tatsache, selbst nicht mehr mit Zwang in Anspruch genommen werden zu können, den Nachteil der schädigenden Handlung nur ab. Zum anderen bleibt der BGH mit der Beschreibung der für die Vorteilsausgleichung notwendigen Kausalitätskette unklar. Überzeugend wurde auch darauf hingewiesen, dass die Situation im Grunde einer umgekehrten Drittschadensliquidation entspreche, bei der ein Geschädigter den Schaden nur deshalb nicht liquidieren könne, weil dieser durch den Verjährungseintritt "zufällig" bei einem Dritten eingetreten und verblieben sei.
Bedenken rief darüber hinaus auch die Kombination der kryptischen Darstellung des Gerichts zur Vorteilsausgleichung mit einer abstrakten Bezugnahme auf Treu und Glauben hervor. Gerade dieser Verweis belegt aber, dass die dogmatische Anknüpfung für das vom BGH gefundene Ergebnis (zumindest) nicht allein in einer Vorteilsausgleichung, sondern vielmehr (auch) in der Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB zu suchen ist. Auch diese findet ihre Grundlage in dem das Zivilrecht umspannenden Prinzip von Treu und Glauben.