" … Zur ersten und zur zweiten Frage:"
Mit seiner ersten und seiner zweiten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 3 Abs. 1 der Ersten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass unter den Begriff “Benutzung eines Fahrzeugs‘ im Sinne dieser Bestimmung eine Situation fällt, in der ein Traktor, der auf einem Feldweg eines landwirtschaftlichen Betriebs stand und dessen Motor lief, um die Pumpe einer an diesen Traktor angekoppelten Spritzvorrichtung für Pflanzenschutzmittel zu betreiben, durch einen durch das Zusammenspiel mehrerer Faktoren, nämlich das Gewicht dieses Traktors, die Erschütterungen seines Motors und der Pumpe sowie starke Regenfälle, verursachten Erdrutsch weggezogen wurde, was zum Tod einer in diesem Betrieb beschäftigten Person geführt hat.
Diese Fragen beruhen auf der Prämisse, dass der (…) abgeschlossene Versicherungsvertrag, der den fraglichen Traktor betrifft, allein die Haftpflicht im Zusammenhang mit der Benutzung dieses Traktors im Verkehr abdecken soll. Auf der Grundlage dieser Prämisse fragt sich das vorlegende Gericht, ob die (…) beschriebene Situation als Unfall im Zusammenhang mit der Benutzung des fraglichen Fahrzeugs i.S.v. Art. 3 Abs. 1 der Ersten Richtlinie einzustufen ist oder nicht.
Dies klarstellend vorausgeschickt, ist daran zu erinnern, dass nach Art. 3 Abs. 1 der Ersten Richtlinie jeder Mitgliedstaat vorbehaltlich der Anwendung von Art. 4 alle zweckdienlichen Maßnahmen trifft, um sicherzustellen, dass die Haftpflicht bei Fahrzeugen mit gewöhnlichem Standort im Inland durch eine Versicherung gedeckt ist.
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass ein landwirtschaftlicher Traktor wie der fragliche Traktor unter den Begriff “Fahrzeug‘ nach Art. 1 Nr. 1 dieser Richtlinie fällt, denn es handelt sich bei ihm um ein “maschinell angetriebene[s] Kraftfahrzeug, welches zum Verkehr zu Lande bestimmt und nicht an Gleise gebunden ist‘.
In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass diese Definition unabhängig von dem Gebrauch ist, der vom jeweiligen Fahrzeug gemacht wird oder gemacht werden kann. Daher ändert die Tatsache, dass ein Traktor unter bestimmten Umständen als landwirtschaftliche Arbeitsmaschine benutzt werden kann, nichts an der Feststellung, dass ein solches Fahrzeug dem Begriff “Fahrzeug‘ in Art. 1 Nr. 1 der Ersten Richtlinie entspricht (…).
Im Übrigen geht aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten hervor, dass der fragliche Traktor seinen gewöhnlichen Standort im Gebiet eines Mitgliedstaats hat und dass er nicht von einer Ausnahme nach Art. 4 dieser Richtlinie betroffen ist.
Was den Begriff “Benutzung eines Fahrzeugs‘ i.S.v. Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie angeht, ist darauf hinzuweisen, dass er nicht dem Ermessen der einzelnen Mitgliedstaaten überlassen werden darf, sondern einen autonomen Begriff des Unionsrechts darstellt, der unter Berücksichtigung insb. des Kontextes dieser Vorschrift und der mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgten Ziele ausgelegt werden muss (…).
So gehört die Erste Richtlinie zu einer Reihe von Richtlinien, mit denen die Pflichten der Mitgliedstaaten im Bereich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung schrittweise präzisiert wurden. Aus den Erwägungsgründen dieser Richtlinie und der Zweiten Richtlinie 84/5/EWG des Rates vom 30.12.1983 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung (ABl 1984, L 8, S. 17) ergibt sich, dass diese Richtlinien zum einen den freien Verkehr der Fahrzeuge mit gewöhnlichem Standort im Gebiet der Union sowie der Fahrzeuginsassen gewährleisten und zum anderen den bei durch diese Fahrzeuge verursachten Unfällen Geschädigten unabhängig davon, wo in der Union sich der Unfall ereignet hat, eine vergleichbare Behandlung garantieren sollen (…).
Außerdem ist der Entwicklung der Unionsregelung im Bereich der Haftpflichtversicherung zu entnehmen, dass das Ziel des Schutzes der Opfer von Unfällen, die durch diese Fahrzeuge verursacht werden, vom Unionsgesetzgeber ständig verfolgt und verstärkt wurde (…).
Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang im Wesentlichen entschieden, dass Art. 3 Abs. 1 der Ersten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass der darin enthaltene Begriff “Benutzung eines Fahrzeugs‘ nicht auf Situationen der Benutzung im Straßenverkehr, d.h. im Verkehr auf öffentlichen Straßen, beschränkt ist, sondern dieser Begriff jede Benutzung eines Fahrzeugs umfasst, die dessen gewöhnlicher Funktion entspricht (…).
Aus den vorstehenden Erwägungen folgt zum einen, dass der Umfang des Begriffs “Benutzung eines Fahrzeugs‘ nicht von den Merkmalen des Geländes abhängig ist, auf dem dieses Kraftfahrzeug benutzt wird.
Keine Vorschrift der Haftpflichtversicherungsrichtlinien beschränkt im Übrigen die Reichweite der Pflichtversicherung und den Schutz, den diese Pflicht den durch von Kraftfahrzeugen verursachte Unfälle Geschädigten verleihen will, auf die Fälle einer Verwendung der Fahrzeuge in einem bestimmten Gelände oder...