Die Entscheidung des EuGH ist von hoher Bedeutung, weil sie sich mit einer Frage befasst, die auch im deutschen Kraftfahrzeughaftpflichtrecht und im Recht der privaten Haftpflichtversicherung immer wieder streitig ist: Worauf erstreckt sich der Schutz der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung, wenn fraglich ist, ob ein Schaden bei dem "Gebrauch des Fahrzeugs" (AKB 2015 A 1.1.1.; BB PHV 3.1) entstanden ist. Dabei ist unerheblich, dass das deutsche Recht von "Gebrauch" und das europäische von "Benutzung" spricht.
Das deutsche System der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung beruht zwar auf dem Europäischen Übereinkommen über die obligatorische Haftpflichtversicherung von Kraftfahrzeugen von 1965 und stellt keine unmittelbare Umsetzung der fünf Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien dar. Ungeachtet dessen folgt aus der Pflicht Deutschlands, die Standards dieser Richtlinien zu beachten, die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung des deutschen Pflichtversicherungsrechts. Die Entscheidung des EuGH befasst sich dabei mit der begrifflichen Voraussetzung der Deckung durch eine Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung, der "Benutzung" eines Kraftfahrzeugs. Dieser Begriff taucht allerdings in der deutschen Fassung der Richtlinie 2009/103/EG v. 16.9.2009 (Abl. 263/11) gar nicht auf; dort wird von der "Haftpflicht für Fahrzeuge" gesprochen. Die englische Fassung spricht indessen von "use", die französische von "circulation". Damit ist folglich klar, dass es bei der unionsrechtlich autonomen Bestimmung der Reichweite des Kraftfahrzeughaftpflichtschutzes um den Gebrauch des Kraftfahrzeugs zum Verkehr geht – auch wenn das nationale deutsche Recht natürlich weitergehen kann, wenn der Gesetzgeber das gewollt haben sollte.
Vor diesem Hintergrund kann für die künftige Anwendung des deutschen Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungsrechts nach dem Urteil des EuGH zweierlei von Bedeutung sein: Unionsrechtlich ist Kraftfahrzeugghaftpflichtversicherungsschutz in lokaler Hinsicht (extensiv) nicht nur dann zu gewähren, wenn sich das schädigende Kraftfahrzeug zum Schadenszeitpunkt auf einer öffentlich genutzten Straße befunden hat. Und in funktionaler Hinsicht ist unionsrechtlich (restriktiv) Deckung dann zu gewährend, wenn sich der Schaden bei der Benutzung des Kraftfahrzeugs zum Transport (von Menschen oder Gegenständen) ereignet hat, nicht aber, wenn das Kraftfahrzeug allein als standortfeste Arbeitsmaschine im Gebrauch war.
Das kann dazu führen, dass die bekannten Entscheidungen des BGH zum Inbrandgeraten eines stehenden Kfz in einer Tiefgarage (BGHZ 199, 377 = zfs 2014, 257) und zum Platzen eines Ölzufuhrschlauchs eines Tankwagens (BGHZ 208,140 = NJW 2016, 1162) zu überdenken sind und möglicherweise jene (privathaftpflichtbezogene) zur Schadensverursachung durch einen Heizlüfter (BGHZ 170, 182 = zfs 2007, 221) fortzuschreiben ist.
Prof. Dr. Roland Rixecker
zfs 3/2018, S. 155 - 157