ZPO § 531 Abs. 2 § 286
Leitsatz
1. Die Korrektur des Datums des Austauschs einer Schlüsselanlage stellt kein der Zurückweisung unterliegendes neues Vorbringen dar.
2. Eine Partei ist grds. nicht verpflichtet, tatsächliche Umstände, die ihr nicht bekannt sind, erst zu ermitteln.
BGH, Beschl. v. 13.12.2017 – IV ZR 319/16
Sachverhalt
I. Der Kl. begehrt von der Bekl. eine Entschädigung aus einer bei dieser unterhaltenen Teilkaskoversicherung (…) wegen des behaupteten Diebstahls eines Pkw Porsche 911 Cabrio. Dieses Fahrzeug hatte der Kl. im Januar 2011 von einem Verkäufer in Florida erworben und anschließend nach Deutschland eingeführt. Am 11.11.2013 meldete er das Fahrzeug bei der Polizei als gestohlen. Nachfolgend übergab er der Polizei einen Fahrzeugschlüssel und erklärte dazu, nur diesen einen Schlüssel erhalten zu haben. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen stimmt dieser Schlüssel nicht mit den beim Hersteller zum streitgegenständlichen Pkw gespeicherten Daten zur mechanischen und elektronischen Schließvorrichtung überein.
Der Kl., der einen gewerblichen Autohandel betreibt, behauptet, er habe das Fahrzeug am 5.11.2013 auf seinem Ausstellungsparkplatz in I. abgestellt, um es dort "winterfest" zu machen und anschließend in die Garage zu stellen, am 8.11.2013 zuletzt dort gesehen und am 11.11.2013 nicht mehr aufgefunden. In der Zwischenzeit sei es ihm entwendet worden. Die Schließanlage des Pkw sei vor der Auslieferung an ihn in den USA komplett ausgetauscht worden. In der ersten Instanz hat er zuletzt behauptet, dieser Austausch sei am 11.1.2011 erfolgt; im Berufungsverfahren hat er als Datum des Austauschs den 4.1.2011 angegeben.
Die Bekl. behauptet einen lediglich vorgetäuschten Diebstahl. (…)
2 Aus den Gründen:
" … II. In den Vorinstanzen ist die Klage erfolglos geblieben."
[6] Das BG hat (…) offen gelassen, ob das äußere Bild eines Fahrzeugdiebstahls bewiesen ist, und die erhebliche Wahrscheinlichkeit der bloßen Vortäuschung eines Diebstahls bejaht.
[7] Das ergebe sich zunächst daraus, dass der vom Kl. vorgelegte Fahrzeugschlüssel nicht mit den beim Hersteller gespeicherten Daten zur Schließvorrichtung übereinstimme. Diese Nichtübereinstimmung ließe sich nur mit einem vollständigen Austausch sowohl der mechanischen als auch der elektronischen Schließeinrichtung erklären. Anhaltspunkte für einen solchen Komplettaustausch bestünden aber nicht. Dahingehende Hinweise fänden sich weder in der “Carfax-Historie‘ noch in den vom Kl. vorgelegten Unterlagen zu den am 11.1.2011 durch Porsche in F. durchgeführten Arbeiten; nach dem letzten Klägervortrag in der Berufungsinstanz sei zudem unstreitig, dass an diesem Tage jedenfalls keine mechanischen Komponenten der Schließanlage ausgetauscht worden seien. Soweit der Kl. nunmehr stattdessen einen Komplettaustausch der Schließanlage durch den Verkäufer bereits am 4.1.2011 behaupte, sei er mit diesem Vorbringen nach § 531 Abs. 2 S. 1 ZPO ausgeschlossen.
[8] Darüber hinaus habe der Kl. im Zuge seiner Rechtsverfolgung widersprüchliche Angaben gemacht. So habe er in der Schadenmeldung an die Bekl. einen Erwerbspreis von 49.000 EUR angegeben, während im Kaufvertrag ein Gesamtpreis von 41.000 EUR ausgewiesen sei. Ferner habe er in der polizeilichen Vernehmung vom 12.11.2013 angegeben, den Schlüssel immer an seinem Schlüsselbund bei sich zu haben, während er bei seiner Anhörung vor dem LG gesagt habe, der Schlüssel sei an einem roten Mäppchen gewesen, an dem sich keine anderen Schlüssel befunden hätten.
[9] III. Die Beschwerde des Kl. gegen die Nichtzulassung der Revision führt gem. § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das BG, weil dieses das Recht des Kl. auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat, indem es sein Vorbringen zu einem erfolgten Austausch der Schließanlage am 4.1.2011 zu Unrecht nach § 531 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückgewiesen hat.
[10] 1. Bei Auslegung und Anweisung der Präklusionsvorschriften sind die Gerichte einer strengeren verfassungsrechtlichen Kontrolle unterworfen als dies üblicherweise bei der Anwendung einfachen Rechts geschieht. Die Überprüfung geht insoweit über eine bloße Willkürkontrolle hinaus (…). Das Gebot aus Art. 103 Abs. 1 GG, rechtliches Gehör zu gewähren, ist daher bereits dann verletzt, wenn das BG neues Vorbringen unter offensichtlich fehlerhafter Anwendung des § 531 Abs. 2 ZPO nicht zur Verhandlung zulässt (…).
[11] 2. Letzteres ist hier der Fall.
[12] a) Das zweitinstanzliche Vorbringen des Kl. zu einem Austausch der Schließanlage in den USA vor seinem Erwerb des Fahrzeugs ist bereits nicht neu i.S.d. Vorschrift.
[13] Das BG ist davon ausgegangen, dass die Nichtübereinstimmung des vom Kl. vorgelegten Fahrzeugschlüssels mit den beim Hersteller hinterlegten Daten nur mit einem vollständigen Austausch der Schließanlage zu erklären wäre, wofür aber keine Anhaltspunkte bestünden; daraus ergebe sich eine erhebliche Wahrscheinlichkeit der bloßen Vortäuschung eines Diebstahls. Rechtserheblich i...