VVG § 28 Abs. 2, Abs. 3; AKB 2008 E 1.1 3.1 6.2
Leitsatz
1. Der fehlende Hinweis auf die Notwendigkeit einer vorherigen Belehrung bei einem Auskunftsverlangen des VR in dessen AKB macht eine für die Verletzung der Aufklärungsobliegenheit vorgesehene Sanktionsregelung nicht unwirksam.
2. Die vorherige Inanspruchnahme des Kfz-Haftpflichtversicherers eines Schädigers entschuldigt die Verletzung der Anzeigeobliegenheit dem Kaskoversicherer gegenüber nicht.
3. Wären dem VR bei zeitnaher Schadensmeldung Möglichkeiten der Untersuchung des Kfz und des Unfallorts geblieben, kann der VN den Kausalitätsgegenbeweis nicht führen.
4. Besteht zwischen den Vertragsparteien eine abweichende Übung zur Handhabung der Schadenanzeigen, kann der VR nach Treu und Glauben gehindert sein, sich auf ihre Verspätung zu berufen.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Celle, Urt. v. 30.11.2017 – 8 U 27/17
Sachverhalt
Die Kl., ein Autovermieter, nimmt die Bekl. wegen eines angeblichen Unfallschadens am 21.8.2013 in Spanien als Vollkaskoversicherer in Anspruch. Das Kfz war über ein Schwesterunternehmen und eine Firma in Belgien an einen Herrn A vermietet worden. Der Unfall soll durch einen Zusammenstoß mit einem die Vorfahrt des A missachtenden Unfallgegner geschehen sein, dessen Haftpflichtversicherer indessen vergeblich in Anspruch genommen worden war, weil ein von diesem beauftragter Sachverständiger gutachtete, der Unfall könne sich nicht so ereignet haben wie geschildert.
Die Kl. ließ den Wagen durch einen Sachverständigen begutachten, der Nettoreparaturkosten von 39.334,50 EUR, einen Wiederbeschaffungswert von 58.300 EUR und einen Restwert von 15.100 EUR schätzte.
Die Kl. veräußerten den Pkw am 23.8.2013 zum Preis von 19.000 EUR umsatzsteuerfrei an einen Käufer aus den Niederlanden und meldete am 19.12.2014 den Unfallschaden über ihren Versicherungsmakler der Bekl. Die Bekl. wandte sich gegen ihre Inanspruchnahme. Die Umstände des Unfalls seien unklar. Die Kl. habe in den letzten Jahren eine auffällig hohe Zahl von Schadenfällen gemeldet. Die verspätete Schadenanzeige, die mangelnde Aufklärung über das Unfallgeschehen und die Verwertung stellten Obliegenheitsverletzungen dar.
Die Kl. behauptet, die späte Meldung des Schadens sei mit dem Scheitern der Inanspruchnahme des Kfz-Haftpflichtversicherers erfolgt. Auf Obliegenheitsverletzungen könne sich die Bekl. nicht berufen, weil der Versicherungsvertrag in früheren Fällen "anders gelebt" worden sei. Auch seien der Bekl. keine Feststellungsmöglichkeiten genommen worden. Das LG hat die Klage aus den von der Bekl. vorgetragenen Gründen abgewiesen.
2 Aus den Gründen:
" … Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen:"
1. Der Kl. steht gegen die Bekl. kein Anspruch auf Zahlung einer Versicherungsleistung aufgrund des behaupteten Unfallereignisses am 21.8.2013 zu.
Dahingestellt bleiben kann, ob überhaupt ein Versicherungsfall vorliegt und ob die in dem Gutachten des Sachverständigenbüros I berücksichtigten Schäden auf einem einzigen Schadensfall beruhen; gegen Letzteres könnte die Beschädigung auch des linken Außenspiegels sprechen. Jedenfalls ist die Bekl. gem. § 28 Abs. 2 VVG leistungsfrei.
Der Versicherungsvertrag sieht für den Fall einer Obliegenheitsverletzung Leistungsfreiheit vor (dazu a)). Die Kl. hat ihre Obliegenheiten nach dem Schadenfall vorsätzlich verletzt (dazu b)). Den Kausalitätsgegenbeweis hat die Kl. nicht geführt (dazu c)). Eine Belehrung über die Folgen einer Obliegenheitsverletzung war nicht erforderlich (dazu d)). Die Bekl. ist schließlich nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehindert, sich auf den Einwand der Leistungsfreiheit zu berufen (dazu e)).
a) Abschnitt E.6.1 AKB regelt in Übereinstimmung mit § 28 Abs. 2 VVG Leistungsfreiheit des VR bei einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung sowie das Recht zur Leistungskürzung bei grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzungen.
Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Regelung bestehen nicht und werden von der Kl. auch nicht geltend gemacht. Sie ergeben sich insb. auch nicht aus den (insoweit identischen) Entscheidungen des BGH vom 2.4.2014 (zfs 2014, 401; zfs 2016, 38). Zwar hat der BGH in den vorgenannten Entscheidungen im Fall nicht an das Rechtsfolgensystem gem. § 28 VVG n.F. angepasster Versicherungsbedingungen einer Rechtsschutzversicherung eine Unwirksamkeit der (alten) Sanktionsregelung bei Obliegenheitsverletzungen u.a. damit begründet, dass in dieser nicht auf die Belehrungspflicht gem. § 28 Abs. 4 VVG n.F. hingewiesen werde. Der Senat versteht diese Entscheidungen aber nicht so, dass der fehlende Hinweis auf die Belehrungspflicht gem. § 28 Abs. 4 VVG n.F. in der Rechtsfolgenwiedergabe in den Versicherungsbedingungen auch dann zur Unwirksamkeit führt, wenn diese – wie im Streitfall – i.Ü. völlig korrekt die Rechtsfolgenbestimmungen für Obliegenheitsverletzungen aus § 28 VVG n.F. wiedergeben (OLG Hamm zfs 2017, 638).
b) Die Kl. hat ihre Obliegenheiten gem. Abschnitten E.1.1 und E.3.2 AKB verletzt (dazu aa)). Dies geschah vorsätzlich (dazu bb)).
aa) Gem. Abschnitt E.1.1 AK...