1. Legt eine Partei in einem selbstständigen Beweisverfahren oder einem Rechtsstreit ein Privatgutachten vor, das gegenüber dem gerichtlich eingeholten Gutachten zu abweichenden Feststellungen gelangt, ist das Gericht verpflichtet, sich hiermit auseinander zu setzen und auf die Widersprüche einzugehen.

2. Gibt der Richter nach dieser Aufklärung einem der Gutachten den Vorzug, hat er die Gründe hierfür offenzulegen Leerformeln wie die Bemerkung, der gerichtlich bestellte Gutachter habe die Zweifelsfragen geklärt, ohne dass sich dies aus dem Protokoll oder den Entscheidungsgründen ergibt, dokumentieren keine ausreichende Auseinandersetzung.

3. Gelingt die Ausräumung der Widersprüche zwischen dem gerichtlich eingeholten Gutachten und dem Privatgutachten nicht, ist ein weiteres Gutachten einzuholen.

4. Werden die Feststellungen des Privatgutachters in den Entscheidungsgründen des Urteils nicht berücksichtigt, liegt hierin eine Verletzung rechtlichen Gehörs.

5. Ob Vorbringen, das auf ein Privatgutachten gestützt wird unter den Voraussetzungen der §§ 296 Abs. 1, 411 Abs. 4, 493 ZPO zurückgewiesen werden kann, bleibt offen.

(Leitsätze der Schriftleitung)

BGH, Beschl. v. 17.5.2017 – VII ZR 36/15

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