" … Die Berufung der Bekl. ist nach den §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und mithin zulässig. Das Rechtsmittel ist nach Maßgabe der §§ 513, 529, 546 ZPO auch begründet. Entgegen der Auffassung des LG haften die Bekl. nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht für die aufgrund des Verkehrsunfalls vom 22.7.2014 entstandenen materiellen und immateriellen Schäden des Kl."

1. Allerdings ist das LG richtig von der grundsätzlichen Haftung der Bekl. zu 1 als Fahrer und Halter eines unfallbeteiligten Kfz gem. §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 S. 1, 11 StVG, 823 Abs. 1 BGB und der Bekl. zu 2 als Haftpflichtversicherer gem. §§ 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG, 1 PflVG ausgegangen. Der für den Ausschluss der Ersatzpflicht der Bekl. zu 1 nach § 18 Abs. 1 S. 2 StVG erforderliche Nachweis, dass der Schaden nicht durch ein Verschulden des Führers verursacht ist, wurde nicht geführt. Die gesetzliche Verschuldensvermutung nach § 18 Abs. 1 S. 1 StVG kann insb. widerlegt sein, wenn der Unfall auf einem technischen Fehler (z.B. geplatzter Reifen, Versagen der Bremsen) beruht; es ist dann aber Sache des Fahrers, den Nachweis zu führen, dass er deshalb schuldlos die Kontrolle über das Kfz verloren hat (Heß in Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Aufl., § 18 StVG Rn 8). Ein technischer Fehler kommt hier nicht in Betracht. Die Verschuldensvermutung ist ferner widerlegt, wenn der Fahrzeugführer nachweist, dass er sich verkehrsrichtig verhalten hat (OLG Hamm NZV 1998, 463). Auch das ist nicht der Fall. Entsprechendes gilt für die auf §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 S. 1 StVG beruhende Haftung des Kl., wie im Folgenden noch ausgeführt werden wird.

2. Da beide Parteien hier den Unabwendbarkeitsnachweis gem. § 17 Abs. 3 StVG nicht führen können, hängt gem. § 17 Abs. 1 StVG im Verhältnis der beteiligten Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insb. davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Nach anerkannten Rechtsgrundsätzen sind bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge nur solche Umstände einzubeziehen, die erwiesenermaßen ursächlich für den Schaden geworden sind, d.h. sich auf den Unfall ausgewirkt haben (BGH NJW 2012, 1953, 1954 Rn 5). Die für die Abwägung maßgebenden Umstände müssen nach Grund und Gewicht feststehen, d.h. unstreitig, zugestanden oder nach § 286 ZPO bewiesen sein. In erster Linie ist hierbei das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben, das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung (BGH NJW 2012, 1953, 1954 Rn 5). Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung aufgrund geschaffener Gefährdungslage haben deswegen außer Betracht zu bleiben (Senat OLGR 2009, 394, 396; NJW-RR 2015, 223, 224 Rn 27).

3. Im Ergebnis zu Recht hat das LG festgestellt, dass dem Kl. ein schuldhafter, unfallursächlicher Verstoß gegen seine Pflichten aus § 10 S. 1 StVO zur Last fällt.

a) Wer aus einem Grundstück auf die Straße einfahren will, hat sich gem. § 10 S. 1 StVO dabei so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls muss man sich einweisen lassen. Die Vorschrift legt dem aus einem Grundstück auf die Straße einfahrenden Fahrzeugführer gesteigerte Pflichten auf. Die Pflichten werden nicht dadurch gemindert, dass der Vorfahrtsberechtigte unter Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot die linke Stra ßenseite benutzt. Das Vorfahrtsrecht der auf der Straße fahrenden Fahrzeuge gegenüber einem auf eine Straße Einfahrenden gilt grundsätzlich für die gesamte Fahrbahn. Der aus einem Grundstück kommende Fahrzeugführer hat sich grundsätzlich darauf einzustellen, dass der ihm gegenüber Vorfahrtsberechtigte in diesem Sinne von seinem Recht Gebrauch macht (BGH NJW-RR 1991, 536; 2012, 157, 158 Rn 8). Selbst das Befahren der linken Fahrbahn beseitigt nicht die Verpflichtung des Einfahrenden, dem fließenden Verkehr den Vorrang zu belassen und diesen nicht zu behindern (BGH NJW-RR 2012, 157, 158 Rn 8). Gegen den Einfahrenden spricht ein Anscheinsbeweis, d.h. er trägt die volle Haftung, es sei denn, dem Fahrer des anderen, vorfahrtberechtigten, weil bereits auf der Straße fahrenden Fahrzeugs ist im Einzelfall ebenfalls ein Sorgfaltsverstoß anzulasten, weil er unaufmerksam oder mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist (Senat NJW-RR 2015; 351, 352 Rn 74; Freymann in Geigel, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl., Kap. 27 Rn 319).

b) Diesen gesteigerten Sorgfaltsanforderungen ist der Kl., der im Unfallzeitpunkt das 15. Lebensjahr vollendet hatte und dessen Einsichtsfähigkeit gem. § 828 Abs. 3 BGB zu vermuten ist, schuldhaft nicht gerecht geworden.

aa) Insoweit gelten im Straßenverkehr für einen minderjährigen Mofa-Fahrer nicht etwa geringere Sorgfaltsanforderungen. Wer auf öffentlichen Straßen ein Kfz führt, ...

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