"II. 1. Die statthafte (§ 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 OWiG) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat mit der ordnungsgemäß ausgeführten (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG) Verfahrensrüge Erfolg."
2. Hierzu hat die GStA in ihrer Antragsschrift v. 16.12.2013, mit der sie beantragt, auf die Rechtsbeschwerde des Betr. das Urteil des AG nebst den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens – an das AG zurückzuverweisen, ausgeführt:
“Mit seiner Verfahrensrüge, die den Anforderungen nach § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügt, macht der Betr. erfolgreich eine Verletzung rechtlichen Gehörs geltend. Die Rüge ist zulässig. Der Betr. führt aus, dass sich die im Urteil verwerteten Unterlagen (Lichtbilder, Eichschein, Schulungsnachweis) weder in der Akte bei der Akteneinsicht befanden noch in der Ladung benannt worden waren. Er führt zudem aus, dass er bei Kenntnis der Unterlagen den Zeugen hätte weiter befragt bzw. durch einen Unterbevollmächtigten befragen lassen sowie dass er bei Kenntnis der Lichtbilder vorgetragen hätte, dass der Betr. nach der dort gezeigten Messstelle erst auf die Autobahn aufgefahren ist. Dieser Vortrag ist für eine zulässige Verfahrensrüge ausreichend.
Sie ist auch begründet, weil das AG seine dem Betr. nachteilige Entscheidung u.a. die benannten Lichtbilder und auf gerichtsinterne Kenntnisse gestützt hat, die es dem Betr. zuvor nicht mitgeteilt hatte. Nachdem in der Ladungsverfügung als einziges Beweismittel der Messbeamte als Zeuge aufgeführt ist, bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass in der eigentlichen Ladungsurkunde weitere Beweismittel aufgeführt sind.
Im Abwesenheitsverfahren nach § 74 Abs. 1 OWiG dürfen aber nur die dem Betr. bekannten Beweismittel verwendet werden (vgl. Göhler/Seitz, OWiG, 16. Aufl., § 74 Rn 17; Karlsruher Kommentar/Senge, OWiG, 3. Aufl., § 74 Rn 13, jeweils m.w.N.; OLG Hamm VRS 93, 359; OLG Bamberg NStZ-RR 2011, 216). Andernfalls kann der Betr. seine Verteidigung nicht ausreichend, nämlich gezielt auf alle vorhandenen, ihm bekannten Beweismittel einrichten. Insb. kann er, wenn er nicht alle ihm belastenden Beweismittel kennt, nicht uneingeschränkt entscheiden, ob er tatsächlich von der ihm durch das AG gem. § 74 Abs. 1 OWiG eingeräumten Möglichkeit, der Hauptverhandlung fern zu bleiben, Gebrauch machen und nicht am Hauptverhandlungstermin teilnehmen will (OLG Bamberg a.a.O.).
Verwendet das Gericht dem Betr. bislang nicht bekannte Beweismittel, so begründet dies die Rechtsbeschwerde auch dann, wenn ein Zeuge vernommen wurde, der bereits im Bußgeldbescheid benannt wurde (BayObLG, Beschl. v. 29.4.1985, 1 Ob OWi 104/85, zit. nach Rüth, DAR 86, 247; OLG Hamm NZV 1996, 43/44; Göhler/Seitz, a.a.O., § 71 Rn 27) und dieser Zeuge weitere, dem Betr. unbekannte Untertagen vorlegt.
Da der Betr. dargelegt hat, wie er sich verteidigt hätte, wenn ihm … die Lichtbilder bekannt gewesen wären, ist auch nicht auszuschließen, dass das Urteil anders ausgegangen wäre, wenn dem Betr. die Lichtbilder bekannt gewesen wären, § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG i.Vm. § 337 StPO.’
Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an.
Aufgrund des dargestellten Verfahrensfehlers wird daher auf die Rechtsbeschwerde des Betr. das Urteil des AG mit den zugehörigen Feststellungen sowie im Kostenausspruch aufgehoben (§ 353 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG) und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das AG zurückverwiesen (§ 79 Abs. 6 OWiG).“
Mitgeteilt von RA JR Hans-Jürgen Gebhardt, Homburg/Saar